Die Demokratisierung der Geldanlage

Wolfgang Becher, Senior Manager bei zeb: „Es gibt mehrere potenzielle Gewinner.“

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Ist Deutschland nicht etwas spät dran mit dem Vorhaben, Wertpapiere elektronisch abzubilden?

Wolfgang Becher: Deutschland ist spät dran, aber nicht zu spät. Es wurden ja auch bislang schon E-Wertpapiere in Deutschland angeboten - nur eben mit entsprechenden Disclaimern im Prospekt. Es ist ein Graubereich. Wenn das jetzt gesetzlich geregelt wird, bringt das Rechtssicherheit und vereinfacht den Prozess.

Ist das in dieser Legislaturperiode noch zu schaffen?
Das Vorhaben wurde bereits im Koalitionsvertrag 2018 erwähnt. Dann ist zwei Jahre wenig passiert. Und nun sieht der Plan vor, noch dieses Jahr das Gesetz zu beschließen. Das wird zu sportlich sein. Ich rechne aber damit, dass der Bundestag das Gesetz im ersten Quartal des kommenden Jahres beschließt. 

Was ist positiv am Referentenentwurf?
Der Entwurf sieht eine große Technologieoffenheit vor. Es würde ein Rechtsrahmen geschaffen auch für zukünftige Technologien, die wir jetzt noch nicht kennen. Wir müssen nicht nur an die Blockchain denken. Und der grundlegende Prozess einer Wertpapieremission und des -handels bleibt gleichzeitig bestehen. Positiv zu bewerten ist außerdem, dass es mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht weiterhin eine zentrale Aufsicht geben wird.

Ist die BaFin dafür denn aktuell richtig aufgestellt - Stichwort Wirecard?
Die BaFin hat heute schon ein Team, das sich mit der Thematik gut auskennt. Sicherlich ist es eine spannende Frage, wie sich die BaFin in dieser Hinsicht organisiert. Allerdings gehe ich auch nicht davon aus, dass es tausende neuer Register zu überwachen gilt. Also: Das ist eine lösbare Aufgabe.

Gibt es auch kritische Punkte?
Es ist meines Erachtens noch nicht hundertprozentig raus, wie es um den Verbraucherschutz bestellt ist. Darüber hinaus gibt es auch noch Fragen zu klären, was im Insolvenzfall eines Wertpapierregisters geschieht, also wenn der Registerführer insolvent wird. Davon sollte der Besitz des Wertpapiers eigentlich nicht berührt sein. Wie das praktisch aussieht, ist noch im Detail zu klären. Ein dritter Punkt: Derzeit gibt es eine weitreichende Definition des gutgläubigen Erwerbs. Hier könnten sich Möglichkeiten des Betrugs eröffnen. Wenn der Emittent am Markt etabliert ist, ist das eher ein theoretisches Problem. Hier wird man erst einmal praktische Erfahrungen sammeln müssen und gegebenenfalls nachsteuern.

Im aktuellen Entwurf werden E-Wertpapiere geregelt, aber keine E-Aktien - werden diese folgen?
Dieses Gesetz ist ein Pioniergesetz, weitere in diesem Bereich werden folgen. In ihm ist auch eine Überprüfung festgeschrieben. Ich rechne damit, dass ein Ergebnis dieser Überprüfung sein wird, die E-Aktie einzuführen - bis 2023. Und es wird auch eine weitere Diskussion beschleunigen – die um einen elektronischen Euro, also das digitale Zentralbankgeld, auch CDBC genannt. 

Wer sind die Verlierer der neuen Regelung - die bisherigen Verwahrer?
Die bisherigen Verwahrer sind nicht per se die Verlierer - es ist ja nicht ausgeschlossen, dass sie auch Anbieter werden. Die Banken werden potentiell Verlierer sein, wenn sie sich des Themas nicht annehmen. 

Und wer sind die Gewinner?
Es gibt mehrere potenzielle Gewinner. Das sind etwa neue Anbieter. Noch offen ist, wer das sein wird. Gewinner sind vor allem die Anleger. Durch das E-Wertpapier können die Prozesse einfacher und günstiger werden. Im besten Fall führt das zu einer Demokratisierung der Geldanlage. Ein Beispiel: Wenn ich heute eine Immobilie im Wert von 200.000 Euro zu finanzieren habe, lohnt es sich nicht, eine Anleihe aufzulegen. Das ließe sich künftig allerdings schon mit derartigen Beträgen realisieren. Es könnten ganz neue Anlageklassen aufgelegt und neue Kundengruppen erschlossen werden.

Was bedeutet das für zeb?
Erst einmal ist es eine neue Technologie, die wir weiter intensiv beobachten. Die spannende Frage ist dann, was daraus entsteht. Hier werden FinTechs unsere Beratungsexpertise gebrauchen können, wie auch Banken und Sparkassen jedweder Größenordnung: da geht es um die Kundenperspektive, Altersvorsorge, Vermögensaufbau, Vermögensverwaltung - es ergibt sich ein ganzer Blumenstrauß neuer Produkte, vielleicht sogar völlig neue Geschäftsmodelle.

 

Wolfgang Becher, zeb

Es ergibt sich ein ganzer Blumenstrauß neuer Produkte, vielleicht sogar völlig neue Geschäftsmodelle.

Wolfang Becher, Senior Manager, zeb