„Die Digitalisierung des Gesundheitssystems, Kostendruck bei den Leistungsausgaben und neue Kundenerwartungen stellen Krankenversicherer vor Herausforderungen – es wird sich zeigen, welchen Versicherern es gelingt zum Partner an der Seite des Kunden in seinen Gesundheitsanliegen zu werden."
Herausforderungen
Die private Krankenversicherung befindet sich im Wandel. Treiber für diese Veränderungen sind: Zum einen die Digitalisierung mit ihren neuen Möglichkeiten der Interaktion zwischen allen Beteiligten im Gesundheitssystem, zum anderen der weiter steigende Kostendruck durch zunehmendes Leistungsausgaben durch den medizinisch-technischen Entwicklungsfortschritt und neue Behandlungsmethoden. Nicht zuletzt erfordert die Digitalisierung hohe Investitionen in die medizinisch-technische Infrastruktur, wie die Gematik-Anbindung der PKVen und damit verbundene Initiativen, z. B. die elektronische Patientenakte (ePA) und E-Rezepte sowie weitere Automatisierungsvorhaben durch künstliche Intelligenz (KI) oder Robotics.
Erkenntnisse
Immer mehr Anbieter möchten von ihren Kunden nicht mehr nur als reine Kostenerstatter wahrgenommen werden, sondern als Dienstleister rund um das Thema Gesundheit. Der Kunde rückt mit seinen Bedürfnissen ins Zentrum der Krankenversicherer. Dabei ist ein Paradigmenwechsel im Gesundheitsverhalten der Kunden zu beobachten. Patientinnen und Patienten wollen nicht mehr nur reaktiv und passiv auf Krankheiten reagieren, sondern vermehrt proaktiv und präventiv handeln. Gesundheit gewinnt weiter an Bedeutung – sie wird sprichwörtlich konsumiert, um eventuell aufkommende Krankheiten zu verhindern. Medizin und Gesundheit werden zu einem Lifestyle.
Als Anbieter umfassender Gesundheitsdienstleistungen steht die private Krankenversicherung ihren Kunden in jeder Situation zur Seite – bei Krankheit, Genesung und Gesunderhaltung. Hierin liegt eine große Chance – neue Touchpoints entstehen.
Lösungen & Handlungsfelder
Damit die Transformation vom Kostenerstatter zum Gesundheitsdienstleister zielgerichtet verläuft, muss sich ein Versicherer im Gesundheitsdienstleistungsmarkt klar positionieren. Ein Gesamtblick über den Anbietermarkt ermöglicht die Auswahl passender verfügbarer Gesundheitsservices. Neben dem Service gilt es, den idealen Dienstleister auszuwählen und Make-or-buy-Entscheidungen abzuwägen. Im Ergebnis entsteht beim Krankenversicherer ein individuelles Ökosystem für Gesundheit.
Entscheidend ist dabei nicht die Anzahl an Gesundheitsservices, sondern deren gezielter Einsatz und die Steuerung im Gesundheitsmanagement. Ein Nutzencontrolling bildet die Basis für die Sicherstellung erwünschter Effekte und ermöglicht laufende Adjustierungen und Iteration im Angebot der Services.
Bei der strategischen Aufstellung des Leistungsmanagements gilt es, einen holistischen Blick auf alle Bestandteile des Leistungsmanagements zu entwickeln. Zentrale Elemente sind die Factory zur Prüfung und Erstattung sowie das Gesundheitsmanagement. Sie wirken auf Organisation und Personal. Enabler für die Funktionsfähigkeit sind IT-Systeme und Workflowmanagement. Der ganzheitliche Ansatz ermöglicht eine Ausrichtung der einzelnen Komponenten bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Wechselwirkungen. Während in der Factory zur Prüfung und Erstattung der Fokus auf dem weiteren Ausbau der Dunkelverarbeitung liegt, stellen sich Anforderungen an das Gesundheitsmanagement vor allem durch eine stärkere Vernetzung von Marktakteuren und eine Zunahme an Kooperationen und angebotenen Services.
Diese Entwicklungsrichtungen erfordern eine Transformation in Organisation und Personal. Der bisherige Fokus der manuellen Prüfung wird verschoben auf die Steuerung der Versicherten in einem vernetzten Gesundheitsmanagement. Ein Kulturwandel ist erforderlich, der die gesamte Organisation der Versicherung betrifft.
Um den Kundenanforderungen an eine Leistungserstattung in Echtzeit nachzukommen, ist die Weiterentwicklung hin zur vollumfänglichen Factory erforderlich. Im Fokus steht hierbei natürlicherweise die weitere Automatisierung von Prozessen und der Ausbau der Dunkelverarbeitung von Erstattungsanträgen. Im Zielbild werden dann lediglich klar definierte Spezialfelder an Fachexpertinnen und -experten in der Prüfung ausgesteuert, zum Teil auch unter Einbezug externer Dienstleister.
Grundlage der Factory bilden zum einen die Auswahl der passenden (Standard )Software bzw. Softwaremodule und dessen organisatorisch reibungsloser Einsatz, zum anderen an den neuen Herausforderungen ausgelegte Prozessabläufe. Mittels kundenzentrierter Prozessanalysen über den „Process Journey“-Ansatz lassen sich nicht nur punktuelle Verbesserungen und Einsatzpotenziale für Robotic Process Automation (RPA) identifizieren, sondern auch zielgerichtet strukturelle Handlungsfelder ableiten.