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Biodiversität – die unterschätzte Herausforderung

Warum Biodiversität von entscheidender Bedeutung ist

Die Biodiversitätskrise gehört zu den größten, aber oft unterschätzten Bedrohungen unserer Zeit. Während der Klimawandel längst Teil der öffentlichen Diskussion ist, bleibt der Verlust der Artenvielfalt oft im Schatten. Doch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Artensterbens und der Zerstörung von Ökosystemen sind enorm. Intakte Ökosysteme sichern uns eine Vielzahl von Dienstleistungen, die wir täglich nutzen, oft ohne es zu bemerken: Von der Bestäubung unserer Nahrungspflanzen über sauberes Wasser bis hin zur Regulation des Klimas.

Warum Biodiversität?
Eine intakte Biodiversität ist entscheidend für die Bereitstellung von sogenannten „Ökosystemdienstleistungen“. Dazu gehören:

Bestäubung von Pflanzen: Unverzichtbar für die Landwirtschaft.

Sauberes Wasser und Luft: Wälder und Feuchtgebiete filtern Schadstoffe und sichern uns Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen.

Klimaregulierung: Gesunde Ökosysteme binden CO₂ und tragen zur Klimastabilisierung bei.

Nährstoffkreisläufe: Die Artenvielfalt sorgt für die Erneuerung von Böden und damit für nachhaltige Landwirtschaft.

Seit 1970 ist die Weltbevölkerung um 112 % gewachsen, was die Nachfrage nach natürlichen Ressourcen dramatisch gesteigert hat. Die Fleischproduktion ist in diesem Zeitraum um 244 % gestiegen, während der Wildtierbestand um alarmierende 69 % zurückgegangen ist. Besonders stark betroffen ist die Region Südamerika mit einem Rückgang von 94 %.

Die wirtschaftlichen Folgen des Artenverlusts

Die Auswirkungen der Biodiversitätskrise sind nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch gravierend. Viele der Schäden treten schleichend auf und sind daher schwer zu messen, doch sie summieren sich zu enormen Kosten für die globale Wirtschaft. Die Natur bietet der Menschheit wertvolle Dienstleistungen oft kostenlos und scheinbar unbegrenzt – doch diese Ressourcen sind endlich.

Unternehmen, die von natürlichen Ressourcen abhängig sind, wie z.B. die Land- und Forstwirtschaft, der Fischereisektor sowie der Tourismus, spüren bereits jetzt die Auswirkungen. Doch der Biodiversitätsverlust betrifft nicht nur diese Branchen: Auch Sektoren wie die Pharma- und Gesundheitsindustrie sind bedroht, da die genetische Vielfalt von Organismen für die Entwicklung neuer Medikamente entscheidend ist. Ein Rückgang der Biodiversität bedeutet somit auch einen Rückgang an Innovationsmöglichkeiten und potenziellen Heilmitteln.

Die enge Verbindung zwischen Biodiversität und Klimawandel

Die Bekämpfung der Biodiversitätskrise ist eng mit den globalen Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels verknüpft. Die Erreichung von Zielen wie „Netto-Null-Emissionen“ (Net Zero) und einem Nettozuwachs an Biodiversität (Nature Positivity) bis 2050 muss Hand in Hand gehen, um beide Krisen gleichzeitig zu bewältigen.

Während die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels oft global und linear umgesetzt werden können (z. B. durch den Einsatz erneuerbarer Energien), erfordert der Schutz der Biodiversität oft lokale und differenzierte Ansätze. Jeder Lebensraum ist einzigartig und bedarf individueller Maßnahmen, um das ökologische Gleichgewicht zu bewahren.

 

Die Rolle der Finanzindustrie: Biodiversität als „das nächste große Thema“

Banken und andere Finanzakteure spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Biodiversitätsverlust. Sie haben die Macht, durch Investitionen in nachhaltige Projekte und die Integration von Biodiversitätsrisiken in Kreditentscheidungen den Artenverlust zu stoppen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sie sich aktiv mit den Risiken und Chancen der Biodiversitätskrise auseinandersetzen.

Biodiversitätsrisiken lassen sich in zwei Kategorien unterteilen:

Physische Risiken: Diese entstehen durch den direkten Verlust von Arten und Ökosystemen, was sich negativ auf Unternehmen und deren Kreditwürdigkeit auswirkt. Beispielsweise kann der Rückgang von Bestäubern zu Ernterückgängen führen, was wiederum die Rentabilität von landwirtschaftlichen Betrieben gefährdet.

Transitorische Risiken: Diese beziehen sich auf die Anpassungskosten, die durch den Übergang zu einer biodiversitätsfreundlicheren Wirtschaft entstehen. Strengere Regulierungen und sich verändernde Marktbedingungen könnten hohe Kosten für Unternehmen verursachen, die sich nicht anpassen.

 

Politische Ambitionen und ökonomische Antworten

In den letzten Jahren hat der Schutz der Biodiversität an politischer Bedeutung gewonnen. Sowohl die Vereinten Nationen (UN) als auch die Europäische Union (EU) haben ambitionierte Ziele gesetzt, um die Artenvielfalt zu bewahren. Die Biodiversitätsstrategie der EU für 2030 sieht den Schutz von mindestens 30 % der Land- und Meeresflächen vor. Unternehmen und Finanzdienstleister sind darüber hinaus verpflichtet, ihre Auswirkungen auf die Biodiversität offenzulegen.

Auf nationaler Ebene zeigt sich jedoch eine gemischte Bilanz. In Deutschland wurden mit der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt 2030“ Maßnahmen zum Schutz und zur naturnahen Nutzung von Flächen definiert. Dennoch bleibt die Umsetzung hinter den ambitionierten Zielen zurück.

 

Biodiversität als wirtschaftliches Asset: Ein neuer Bewertungsmaßstab

Die ökonomische Bedeutung der Biodiversität wird zunehmend anerkannt. Der Dasgupta-Review (2021) hebt hervor, dass die Natur als „natürliches Kapital“ einen wesentlichen Vermögenswert darstellt, der in die ökonomischen Bewertungsmaßstäbe integriert werden muss. Das Konzept des „Integrativen Wohlstands“ zielt darauf ab, den Erfolg von Volkswirtschaften nicht nur anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP), sondern auch unter Berücksichtigung des natürlichen und menschlichen Kapitals zu bewerten.

 

Das „nächste große Thema“ für Banken: Nachhaltige Investitionen in Biodiversität

Biodiversitätsrisiken werden zunehmend als systemische Bedrohungen für den Finanzsektor anerkannt. Wie die regulatorischen Errungenschaften im Bereich des Klimaschutzes zeigt, werden auch für die Biodiversität bald vergleichbare Maßnahmen erforderlich sein. Die EZB hat bereits die Bedeutung der Biodiversität als Risikotreiber erkannt und begonnen, entsprechende Regulierungen zu konkretisieren.

Um den Herausforderungen der Biodiversitätskrise gerecht zu werden, müssen Banken ihre Risikomanagementsysteme anpassen und Biodiversitätsrisiken systematisch bewerten. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die EU-Taxonomie, die in Zukunft auch Biodiversitätskriterien stärker gewichten wird.

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