„Wir haben natürlich die Finanzwirtschaft analysiert, aber auch einen Blick über den Tellerrand gewagt.“
Wie entstand die Idee zum Buch ?
Elke Benning-Rohnke: Customer Centricity umfasst viele Bereiche, von der IT bis zum Vertrieb, ist aber oft in eher kleinen Teams bei Strategie oder Marketing angesiedelt. Es wird häufig als „weiches Thema“ gesehen und das damit verbundene Business-Potenzial stark unterschätzt. Das macht es schwer, intern Gehör und Budget zu finden.
Wir haben uns also gefragt: Wie machen das die anderen Player? Wo stehen sie mit dem Thema Kundenbegeisterung? Also aktivierten wir unser Netzwerk und schlugen einen Austausch auf C-Level-Ebene vor. Nach kurzer Entrüstung, im Sinne von „Ich erzähle doch keinem Wettbewerber, wo wir stehen!“, tauschten sich dann acht führende Banken und Versicherungen über ein Jahr regelmäßig miteinander aus.
Der Austausch war so erhellend für alle, dass für uns schnell feststand: Wir wollen unsere Erfahrungen in einem Buch, in Videos und Beratungsansätzen weitergeben. Unser Ziel war es, einen authentischen, ehrlichen und praxisbezogenen Einblick in die Vorgehensweisen und Herausforderungen der jeweiligen Unternehmen zu geben und andere zu ermutigen, sich auf den Weg zu machen.
Welchen Mehrwert bietet das Buch und wie unterscheidet es sich von den zahlreichen anderen Werken zum Thema Kundenzentrierung?
Prof. Dr. Joachim Hasebrook: In vielen Werken wird das Thema sehr theoretisch angegangen und anhand von komplizierten Modellen erläutert, die in der Praxis nicht oder schwer umsetzbar sind. Deswegen haben wir uns auf aktuelle Praxisbeispiele fokussiert und Originaltöne in Videointerviews eingesammelt, damit man neben den Modellen und Vorgehensweisen auch die Menschen kennenlernt, die diese entwickeln und umsetzen. So verstehen wir bei zeb auch unseren Beratungsansatz: Theoretisch fundiert, technisch versiert, aber vor allem auf die erfolgreiche Umsetzung fokussiert.
Benning-Rohnke: Neben zahlreichen Beispielen aus der Finanzwirtschaft haben wir einen Blick über den eigenen Tellerrand gewagt. In der Automobilbranche wird ähnlich produktorientiert gedacht und gehandelt wie in der Finanzwirtschaft, sie ist jedoch stärker in einem globalen Transformationsprozess begriffen. Im Gesundheitswesen finden derzeit die größten Entwicklungen statt. Dieses wird sich in den kommenden Jahren fundamental wandeln, hin zu einer verbraucherzentrierten Medizin mit mündigeren Patientinnen und Patienten.
Frau Benning-Rohnke, Sie haben bereits vor über zehn Jahren ein Buch mit dem Titel „Kundenorientierte Unternehmensführung“ veröffentlicht. Wie hat sich das Thema im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt?
Benning-Rohnke: Seit ich berufstätig bin, beschäftige ich mich mit den Themen Kunden- und Marktpotenziale. Die Kunden zu kennen, ihre Vorlieben und Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen und sie an das Unternehmen zu binden, ist seit vielen Jahrhunderten der Schlüssel für Unternehmenserfolg. Mit den Möglichkeiten und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die Herangehensweise an das Thema Kundenbegeisterung allerdings immer wieder verändert.
Wie lange gibt das „Denken vom Kunden her“ eigentlich schon?
Benning-Rohnke: Tatsächlich gibt es Belege, dass bereits im 14. Jahrhundert Kundenzentrierung ein wichtiges Thema war. Mit dem Beginn der industriellen Produktion verlagerte sich der Fokus dann von der persönlichen Beziehung hin zu einer stärkeren Beachtung eines systematischen Qualitätsmanagements. Die Optimierung standardisierter Prozesse und die Leistungsmerkmale eines Produktes standen dabei im Vordergrund. Kundenorientierung definierte sich in dieser Zeit über die produktbezogene Bedürfnisbefriedigung.
Mit dem Aufkommen der Sinus-Milieus vor über 40 Jahren begann ein Verständnis für unterschiedliche Werte und Lebenswelten von Kunden, die nach Gruppen kategorisiert wurden. Marktforschungsinstrumente entwickelten sich weiter und Produkterlebnisse wurden ganzheitlicher begriffen. Die Entwicklung des NPS war der nächste logische Schritt.
„NPS“ – das müssten Sie bitte erklären!
Benning-Rohnke: Der Net Promoter Score, kurz NPS, ist eine Kennzahl, die eine Verbindung zwischen der individuellen Weiterempfehlungsbereitschaft von Kunden und dem Unternehmenserfolg herstellt. Entwickelt hat sie der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Fred Reichheld Anfang der 2000er Jahre.
Mit dem NPS erfährt man mit wenig Aufwand, warum Menschen etwas lieben und warum nicht. Diese Methode hat sich inzwischen in vielen Unternehmen durchgesetzt und ein Umdenken angestoßen. Digitalisierung und Big Data haben in der Folge den Trend zur Personalisierung und Echtzeit-Beobachtung angetrieben. Das hat auch die Kunden geprägt. Sie erwarten heute Informationen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Data Analytics können heute zudem Vorhersagen zum Kundenverhalten getroffen und für eine optimale Kundenansprache genutzt werden.