zeb ist Community Partner des „Point Zero Forum“, einer Plattform von Elevandi und dem Schweizer SIF, welche verschiedene Akteure aus der Finanzindustrie zusammenbringt und auf der Branchentrends beleuchtet und diskutiert werden. Wo sehen Sie die größten Opportunitäten für die globale Finanzindustrie in den kommenden Jahren?
MATTHIAS KRÖNER: Die größten Opportunitäten für die Finanzindustrie, aber auch für Europa als Wirtschaftsregion, ergeben sich meines Erachtens aus den aktuellen globalen Herausforderungen. Wir müssen lernen, Probleme und Hürden als Marktchancen zu begreifen. Der Umgang mit dem Klimawandel beispielsweise, d. h. die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsform, stellt dabei die größte Herausforderung – und Chance – dar, die wir als Menschheit bewältigen müssen. Damit verbundene Veränderungen, z. B nachhaltigere Energiequellen, müssen gefördert und vor allem finanziert werden. Da Nationen allein das nicht schaffen können, werden auch private Akteure einen Beitrag leisten müssen.
Ein weiterer Aspekt: In Regionen wie Lateinamerika, Asien und Afrika haben schätzungsweise 50% der Menschen keinen Zugang zu fairen Finanzdienstleistungen. Das sind bedauerliche Umstände, sie stellen aber gleichzeitig ein enormes Potenzial dar! Die Möglichkeit, diese Märkte zu erschließen und beispielsweise finanzielle Inklusion zu fördern, ist gewaltig.
Gleichzeitig verändern Technologien wie künstliche Intelligenz, Blockchain und digitale Währungen den Finanzsektor grundlegend. Diese Innovationen ermöglichen effizientere Abläufe, steigern die Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten, fördern die finanzielle Inklusion und schaffen völlig neue Geschäftsmodelle.
Natürlich erfordert all dies auch, dass man über den Tellerrand blickt und aus der eigenen Komfortzone herauskommt. Nur wer bereit ist, neue Wege zu gehen und innovative Ansätze zu verfolgen, wird die Chancen der Zukunft nutzen können.
In der globalen Finanzwelt ist immer wieder von disruptiven Technologien die Rede. Wie sieht die Bank der Zukunft aus?
„Es ist noch nicht allzu lange her, da konnte man die Rolle einer Bank mit „Geld liegt gut. Geld fließt gut.“ recht einfach beschreiben. In der heutigen digitalen Zeit spielen Daten aber mindestens eine genauso große Rolle. Die Bank der Zukunft wird in erster Linie eine zunehmend technologische Vertrauens- und Sicherheitsfunktion erfüllen müssen. Diese umfasst die Sicherheit der Prozesse, der Daten und der Schnittstellen. In einer immer stärker digitalisierten Welt wird diese Sicherheitsfunktion unerlässlich sein, um a) das Vertrauen der Kunden zu wahren und b) auch die Kundenschnittstelle langfristig besetzen zu können.
Damit nicht genug. Die Bank der Zukunft muss eine aktive, zentrale Rolle in der digitalisierten Finanzindustrie einnehmen, um die Kundenschnittstelle weiterhin zu belegen. Kunden erwarten zunehmend nahtlose, personalisierte und sofortige Erlebnisse – jederzeit und überall. Diese Erwartungen können nur durch den Einsatz fortschrittlicher Datenanalysen und künstlicher Intelligenz erfüllt werden, die es der Bank ermöglichen, maßgeschneiderte Lösungen anzubieten und sich kontinuierlich an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Da eine Bank die dafür nötigen technischen Anforderungen kaum alleine stemmen kann, werden die meisten Häuser nicht um die zielgerichtete Integration von digitalen Drittprodukten und -dienstleistungen herumkommen. Als Quasi-Orchestrator behält die Bank auf diese Art und Weise die Kontrolle über die Kundenbeziehung, kann ihre Kunden aber trotzdem enger fassen und den Mehrwert der Digitalisierung anbieten.
All dies erfordert nicht nur eine grundlegende Offenheit für technologische Innovation, sondern auch einen kulturellen Wandel in den jeweiligen Organisationen.
In einem geopolitischen Kontext scheinen die asiatischen und amerikanischen Finanzplätze Europa abzuhängen. Teilen Sie diese Sicht der Dinge und wenn ja, wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Ja, ich teile die Ansicht, dass asiatische Finanzplätze in den letzten Jahren erheblich an Einfluss gewonnen bzw. aufgeholt haben, insbesondere durch ihre schnelle Adaption neuer Technologien. Das wird auch durch die soziodemografische Entwicklung in Asien unterstützt, die das Wachstum dieser Finanzmärkte weiter antreibt. Gleichzeitig stehen diese Märkte jedoch vor erheblichen geopolitischen Herausforderungen, die nicht übersehen werden dürfen.
Die Herangehensweisen in den verschiedenen Regionen sind sehr unterschiedlich, was sich beispielsweise in der Regulierung von künstlicher Intelligenz und der Kryptoindustrie zeigt. Besonders in den USA, wo der laufende Präsidentschaftswahlkampf die Technologiepolitik stark beeinflusst, rückt Technologie gegenwärtig massiv in den politischen Fokus.
In Europa sehe ich einen dringenden Handlungsbedarf in der stärkeren Förderung von Start-ups und der Weiterentwicklung digitaler Infrastrukturen. Europa muss seine Innovationsfähigkeit erhöhen, um im globalen Wettbewerb nicht weiter zurückzufallen.
Es ist sehr spannend auf den Elevandi-Konferenzen zu beobachten, wie sich die Vertreter aus den verschiedenen Regionen austauschen, um voneinander zu lernen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
Welche Vision verfolgen Sie und Ihre Mitstreiter bei Elevandi?
Bei Elevandi verfolgen wir die Vision, ein globales Netzwerk zu schaffen, das Finanzen, Regulierung und Technologie miteinander verbindet. Wie man meinen vorangehenden Antworten entnehmen kann, liegen Fluch und Segen oft dicht beieinander. Elevandi bietet der Community eine Plattform, auf der all diese Entwicklungen nicht nur diskutiert, sondern auch aktiv vorangetrieben werden können.
Unser Ziel ist es, nachhaltige und inklusive Lösungen für die drängenden Herausforderungen der Finanzwelt zu entwickeln. Dabei legen wir großen Wert auf Inklusion, Transparenz, Zusammenarbeit und kontinuierliche Innovation, um eine bessere Zukunft für alle Beteiligten zu gestalten. Wir sind fest davon überzeugt, dass nur das enge Zusammenspiel von Technologie und Finanzen einen positiven Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen leisten kann.