Und die drei Erfolgsfaktoren fürs Kundenservicecenter?
Kerpes: Meines Erachtens gibt es fünf Erfolgsfaktoren: drei, über die man gerne spricht, und zwei weitere. Erstens sind das funktionale und zielführende Prozesse. Diese dürfen nie als statische Größen verstanden werden; ein funktionierendes KSC optimiert die eigenen Prozesse laufend. Zweitens die passende Technik, auch hier gibt es laufend Weiterentwicklungen mit einer hohen Wirksamkeit. Und drittens braucht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die richtig Lust auf guten und medialen Kundenservice haben.
Ein KSC darf nicht als Verschiebebahnhof für Personalumbau verstanden und gelebt werden, sondern muss so etwas wie der SC Freiburg des Fußballs sein. Der kann sich keine teuren Spieler leisten, hat aber ein super Ausbildungskonzept, um das Team fit zu machen. So bietet ein KSC für alle Mitarbeitenden ein flexibles, modernes und abwechslungsreiches Arbeitsumfeld.
Nun kommen wir zu den beiden Punkten, über die nicht immer gerne gesprochen wird. Vierter Erfolgsfaktor: die positive „Management Attention”. Die ist zentral. Ein erfolgreiches und akzeptiertes KSC baust du niemals ohne Rückendeckung aus dem Management der Bank auf. Hast du das Management an Bord, dann kannst du sehr viel bewegen, ansonsten verpufft das Ganze. Du musst es schaffen, dass das Management den Schmerz aushält, zu sagen, ich muss nicht mehr für jeden Kunden die passende Lösung finden, sondern mir reicht es vollkommen aus, wenn ich für 80 Prozent der Kunden einen super Service anbiete auf Basis von effizienten Standardprozessen.
Fünfter Erfolgsfaktor: die Auswahl der richtigen Projektleitung für den Aufbau: Wichtig ist es, hier mutig zu sein und auf Menschen zu setzen, die ein tiefes Prozessverständnis und eine hohe Affinität für Technik mitbringen. Und vielleicht noch wichtiger: Die Personen müssen für das Thema brennen. Setze ich jemanden darauf an, der bereits jahrelang im stationären Bereich Digitalisierung und Standardisierung als USP der Direktbanken betrachtet hat, sollte ich keine allzu große Hoffnung haben, dass die Person es im neuen Umfeld anders machen wird. Ich sage hier immer „Einstellung schlägt Erfahrung”. Das hat sich häufig bewahrheitet.
Wie werden die richtigen Mitarbeitenden für ein KSC gefunden?
Kerpes: Das ist eben wie beim SC Freiburg im Fußball. Wer nicht viel Geld hat, muss auf Talente, deren Entwicklung und auf ein Image als Karrieresprungbrett setzen. Viele meiner früheren Mitarbeitenden haben sich innerhalb des KSC entwickelt oder sind anschließend in die Beratung gewechselt und haben durch ihre Erfahrungen einen riesigen Benefit in die neuen Einheiten gebracht.
Es geht aber auch immer darum, wie ich mich und das KSC verkaufe: Arbeitszeiten im KSC zwischen 8 und 20 Uhr und zum Teil auch samstags lässt sich als Nachteil erzählen – oder als Arbeitsplatz mit maximaler zeitlicher Flexibilität. Die Herausforderung dabei ist: Daran muss ich auch glauben und es vorleben.
Vereinfacht ausgedrückt ist es entscheidend, Menschen für die Idee KSC zu begeistern, offen zu sein, diese Menschen dann auch einzubinden und mit ihnen gemeinsam zu wachsen. Ich habe immer zu Beginn im Team gesagt: „Wartet mal noch zwei Jahre, dann lacht im Haus niemand mehr über unser kleines KSC”. So sollte es dann auch kommen. Und der Gedanke hat alle Mitarbeitenden zusätzlich motiviert – mich im Übrigen auch. Ich mag die Geschichte vom kleinen gallischen Dorf, das den Römern die Stirn bietet. Ein gutes KSC genießt mittlerweile in jeder Sparkasse einen hohen Stellenwert. Bis dahin war es aber ein langer Weg.
Und wie lassen sich Mitarbeitende für die mediale Beratung gewinnen?
Mitze: Es braucht auf jeden Fall Mitarbeitende, die sehr offen sind und die gerne neue Wege gehen. Gerade das Thema Videoberatung kann am Anfang für viele eine Hürde darstellen. Die Praxis zeigt jedoch, unsere Kunden sind von dem neuen Beratungsangebot total begeistert. Dieser positive Effekt kommt auch bei den Mitarbeitenden an.
In meinem Team habe ich eine New Work Culture etabliert. Konkret bedeutet dies: kreative Arbeitsansätze, viele Gestaltungsmöglichkeiten und flexible Arbeitszeiten – orientiert an den Bedürfnissen unserer Kunden. Als Führungskraft achte ich darauf, die Mitarbeitenden mitzunehmen, zu begeistern und einen sehr offenen Austausch zu pflegen. Der Teamspirit macht auch die Suche nach neuen Mitarbeitenden einfacher.
Was sollte einem Bankvorstand oder einer Bankvorständin geraten werden, der oder die noch keine mediale Beratung im Angebot hat und diese einführen möchte?
Mitze: Orientieren Sie sich an der Praxis! Tauschen Sie sich mit Banken und Sparkassen aus, die Vorreiter sind. Und: Halten Sie sich nicht starr an einem Konzept fest, sondern handeln Sie rechtzeitig, wenn Sie merken, dass es sich in der Praxis nicht richtig anfühlt. Konsequentes und schnelles Handeln kann ein wahrer Gamechanger sein. Eine ganzheitliche Betrachtung ist hierbei entscheidend. Eine gute mediale Beratung ist immer auch ein gutes Zusammenspiel mit dem stationären Vertrieb.
Und was sollte einem Bankvorstand oder einer Bankvorständin geraten werden, der oder die das Kundenservicecenter schlagkräftiger aufstellen möchte?
Kerpes: Es gehört eine gehörige Portion Pioniergeist und Mut dazu. Die Person sollte von dem Thema auch trotz interner Widerstände überzeugt sein – wenn nicht, dann besser die Finger davon lassen. Das Management und dessen Unterstützung ist gerade am Anfang das A und O. Ein KSC baust du nicht bottom-up auf, sondern immer top-down. Räumt dein Management nicht die Bedenken der ewig Gestrigen aus dem Weg, kämpfst du als KSC gegen Windmühlen.
Wichtig ist außerdem – ich wiederhole mich – Menschen ins KSC zu holen, die Lust darauf haben, die verändern wollen und auch einen kleinen Technikfaible haben. Ebenfalls wichtig: Fehlerkultur. Gerade zu Beginn passieren unheimlich viele kleinere und größere Fehler. In einem KSC sollte man aber Fehler als Chance zum Lernen begreifen und als Teil des stetigen Weiterentwicklungsprozesses etablieren. Auch hier ist es wichtig, dass dieser Gedanke vom Topmanagement mitgetragen wird. Kritik an einem KSC findet sich schnell, sobald Fehler auftreten. Das gilt es aber auszuhalten.
Und zu guter Letzt: Think big, start small. Nach meiner Erfahrung ist es gut, sich erst einmal auf einen Kern zu konzentrieren, auf ein paar Prozesse, um dann zu wachsen. Auf die Sparkasse nebenan zu blicken, die bereits seit Jahren ein KSC hat, und direkt dasselbe zu wollen, hat in den seltensten Fällen geklappt.