Transformationsbeschleuniger Nachhaltigkeit

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Mehr als „Fair-Trade-Kaffee“ – worauf es bei einer Strategie hin zu mehr Nachhaltigkeit ankommt

Von Ulrich Hoyer, Partner, zeb

Manche nennen es ein Buzzword, andere sprechen vom Zeitgeist – mit Blick auf die Finanzwelt können wir es konkreter fassen: Nachhaltigkeit wird zum zentralen Transformationstreiber unserer Industrie, der weitreichende Konsequenzen für das Bankgeschäft haben wird. Umso wichtiger ist es für Finanzinstitute, jetzt umzusteuern. Wer schnell ist, kann das Risiko, von der Konkurrenz überholt zu werden, zur Chance wandeln, Marktanteile absichern und vielleicht sogar Kunden gewinnen: Sustainable Finance ist ein Milliardengeschäft.

Weltweit bewerten Topentscheider in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft den Klimawandel als Risiko Nr. 1; viele Bevölkerungsgruppen sehen es – spätestens seit Fridays for Future – genauso. Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit beeinflusst zunehmend Konsumentenverhalten. Wir haben für unsere neue zeb.Nachhaltigkeitsstudie deutsche Bankkunden befragt und markante Zahlen ermittelt: Zwei Drittel wünschen sich eine deutliche Weiterentwicklung ihrer Hausbank in Bezug auf Nachhaltigkeit. Die nachhaltigkeitsaffinen Zielgruppen sind seit unserer letzten Befragung 2014 um fast 300  Prozent gewachsen – das zeigt, dass Nachhaltigkeit in der Breite der Gesellschaft angekommen ist. Eine Bank, die nicht handelt, wird Kunden verlieren. Auch das belegt unsere Befragung. Wir sind zudem überzeugt: Corona wird das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln noch verstärken.

Auf diese fünf Handlungsfelder kommt es an in puncto Nachhaltigkeit
Die zentrale Aufgabe von Banken muss es sein, Nachhaltigkeit glaubwürdig im Alltag zu etablieren. Hier sehen wir fünf Handlungsfelder: Im Geschäftsmodell müssen sozial, ethisch und ökologisch nachhaltige Leistungsangebote entwickelt werden, vor allem in den Bereichen Investment, Kredit sowie Kontomodelle. Dabei ist eine schrittweise, transparente Weiterentwicklung glaubwürdiger und dauerhaft erfolgreicher als eine schnelle, aber wenig tragfähige und vermeintlich umfangreiche Lösung. Gleichzeitig fällt es einem nachhaltigkeitsaffinen Kunden auf, wenn der Investmentfonds mit ESG-Ansatz eher als Alibi dient und vom eigentlichen Marktauftritt und dem Kernangebot konterkariert wird.

Schließlich muss das Leistungsangebot für Kunden auch im Betriebs- und IT-Modell stabil und effizient in den Prozessen und Systemen abgebildet werden. Es reicht nicht, im Pausenraum oder der Filiale Fair-Trade-Kaffee auszugeben. Mitarbeitende und Kunden müssen erkennen und nachvollziehen können, dass es der Bank Ernst ist. Ökopapier für Broschüren, Umweltschutz-Engagement vor Ort sowie ein klares Bekenntnis inklusive hinterlegter Maßnahmen zu Diversity und Inklusion sind weitere Beispiele.

In einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie ist das Steuerungsmodell von besonderer Bedeutung – es muss der Ausrichtung des Geschäftsmodells entsprechen und sollte den Transformationsprozess unterstützen. Will eine Bank im Markt für Glaubwürdigkeit, Transparenz und Fairness stehen, muss sie das auch in ihren Steuerungsimpulsen, im Reporting und in Ihrer Anreizsetzung abbilden.

Nur eine explizite Strategie für Nachhaltigkeit ist eine nachhaltige Strategie
Übergreifend sollten Banken Nachhaltigkeit auch in ihrem strategischen Überbau, etwa im Leitbild bzw. einem Vision-and-Mission-Statement, verankern. Dieses kann Leitlinien zur Evaluierung sämtlicher Geschäftsaktivitäten umfassen oder sich in einem unternehmensspezifischen, formulierten Wertegerüst spiegeln. Hilfreich ist hierfür, initial ein Zielbild zu erarbeiten, das die eigenen Nachhaltigkeitsansprüche definiert und einen ambitionierten Weg zu ihrem Erreichen vorgibt.

Nur wer auf diese Art eine explizite Strategie für Nachhaltigkeit etabliert, hat zugleich eine nachhaltige Strategie. Deren Umsetzung ist allerdings kein Sprint, sondern ein Marathon – der durchaus mehrere Jahre dauern kann. Eine Organisation in wenigen Monaten oder Quartalen nachhaltig aufzustellen, ist ein oft gehörter, aber unrealistischer Wunsch: Allein die Personalentwicklung, die Mitarbeitenden einzubinden, auszubilden und zu Mitgestalterinnen und -gestaltern zu machen, braucht Zeit und ist nicht mit einem kurzen webbasierten Training erreicht. Um die richtige Geschwindigkeit zu finden und passende Angebote zu definieren, starten wir unsere Projekte meist mit einer Befragung auf Basis einer von uns erarbeiteten Methodik und entwickeln die individuell passenden Maßnahmen.

Parallel gilt es, den Status quo der Organisation als Ganzes zu analysieren. Mit unserem
Reifegradmodell haben wir ein transparentes Werkzeug entwickelt und mehrfach erfolgreich eingesetzt. Für viele Banken ist die Bestandsanalyse ernüchternd: Vom fünften und höchsten Reifegrad („Pionier/Zukunftsgestalter“) sind fast alle weit entfernt. Die unterste Stufe („Minimum-CSR“) haben die meisten zwar hinter sich gelassen, das Gros befindet sich aber erst auf Stufe zwei und drei – wir haben sie „Selektive Einzelmaßnahmen“ genannt beziehungsweise „Nachhaltige Produkte“. In Stufe vier („ganzheitliche Ausrichtung“) lichtet sich das Feld bereits stark.

Warum es nicht lohnt, unbedingt Champions League spielen zu wollen
Allerdings erscheint es bei allen ambitionierten Zielen auch wenig sinnvoll, sich als traditionelle Bank kurzfristig in der Nachhaltigkeits-Champions-League positionieren zu wollen. Dies wäre weder glaubwürdig noch aus Kosten-Nutzen-Überlegungen hilfreich oder gar notwendig. Nachhaltigkeitsaffine Kunden setzen voraus, dass sich Banken in die richtige Richtung entwickeln und das Thema generell ernst nehmen.

Nur die Gruppe der nachhaltigkeitsüberzeugten Kunden erwartet einen Bankpartner, der durch und durch nachhaltig ausgerichtet ist – und steht deshalb häufig schon seit vielen Jahren in Geschäftsbeziehung mit einem Pionier dieser früheren Nische. Ehrliches, schrittweises und durchaus chancenorientiertes Vorgehen ist für viele daher glaubwürdiger und sinnvoller.

 

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