„Was Nachhaltigkeit für uns bedeutet."

Die GLS gilt als führende nachhaltig orientierte Bank in Deutschland. Christina Opitz, stellvertretende Vorstandssprecherin, berichtet im Interview mit zeb über Entstehung und Motivation der Bank sowie wichtige Themen für die Zukunft.

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Frau Opitz, die GLS Bank arbeitet konsequent nachhaltig – und das seit 45 Jahren. Würden Sie uns die Ursprünge der Bank und den Weg nach vorne kurz beschreiben?

CHRISTINA OPITZ Die Entstehung der GLS Bank geht auf das zurück, was uns bis heute ausmacht: den zentralen Bedürfnissen der Menschen nachzukommen. Konkret wollten Eltern eine Schule in Bochum gründen, das ging jedoch erst, als sie den Kredit gemeinsam aufnahmen und füreinander bürgten. Dies war der Nukleus der GLS Bank, die 1974 gegründet wurde.

Seit jeher ist das unsere Motivation: Unternehmen und Projekte zu ermöglichen, die sinnstiftend wirtschaften. Entsprechend haben wir Nachhaltigkeit für uns definiert als menschlich, zukunftsweisend, ökonomisch – und zwar in der Reihenfolge. Der Gewinn ist stets die Folge, nicht der Zweck unseres Handelns. 

Daraus ergeben sich sozialökologische Finanzierungen nach klaren Kriterien. So schließen wir etwa fossile Energien ebenso aus wie Rüstungsgüter oder Gentechnik. Unsere Expertise liegt in Branchen, die entscheidend für die Gesellschaft der Zukunft sind, etwa erneuerbare Energien, Wohnen oder Mobilität. 

In den letzten Jahren haben wir starken Zuwachs verzeichnen können – das ist auch den Klimabewegungen geschuldet, die die Dringlichkeit zur Transformation in das öffentliche Bewusstsein gerückt haben. Das merken wir auch an den Kundenzahlen, viele junge Menschen legen Wert darauf, ihren Alltag sozialökologisch zu gestalten. Aber auch viele Unternehmen begreifen, dass sie ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen, dass sie Strategien brauchen, wie sie ihre Geschäftsmodelle klimafreundlich und sozial gerecht gestalten. Das gilt erst recht für den Finanzmarkt.


Mit Ihrem langjährigen und radikal auf Nachhaltigkeit ausgelegten Geschäftsmodell haben Sie ein klares Alleinstellungsmerkmal am Markt. Sorgen Sie sich, dass viele Wettbewerber einen ähnlichen Weg einschlagen könnten?

CHRISTINA OPITZ Wir können jetzt schon beobachten, dass viele Banken versuchen, grüner zu werden. Sie bekommen heute bereits grün gefärbte Angebote, hauptsächlich im Anlagebereich. Gemeinsam mit Großbanken haben wir eine Selbstverpflichtung zur Klimawirkung erarbeitet. Das ist ein Anfang. Insbesondere die EU-Taxonomie und die Bankenaufsicht machen Druck, insofern werden Veränderungen in der Branche zwangsläufig. Das BaFin-Merkblatt 2019 etwa hat klare Signale gegeben. Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Kunden aus? Was bedeuten Trockenheit, Stürme, Überschwemmungen für jeden Kreditnehmer? Diese Risiken müssen Banken zukünftig ermitteln und in der Risikosteuerung berücksichtigen. Das bedeutet, verschiedene Szenarien mit Rücklagen und Eigenkapital zu unterlegen. Das wird zu einer Normalisierung nachhaltiger Risikobewertung führen. Wie heute jedes andere Risiko auch.

Neben den physischen gilt das ebenso für transitorische Risiken. Während physische Risiken durch Überschwemmungen und Katastrophen erkennbar sind, treten die transitorischen dann auf, wenn aufgrund der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens alle CO2-emittierenden Technologien, Industrieanlagen und Verkehrssysteme durch CO2-neutrale Methoden ersetzt werden müssen. Von der Heizung im Kleinbetrieb, bis zur großen Industrieanlage werden die Altanlagen ausgetauscht werden. Denn bei der neuen CO2-minimierten Wirtschaft werden sie zu teuer bzw. unwirtschaftlich und damit zum Risiko. Hier entsteht eine große Chance für die Bankenwelt, denn die Zukunftsinvestitionen sind zu finanzieren. 

Dass Nachhaltigkeit auch bei konventionellen Banken immer mehr eine Rolle spielt, bewerten wir als positiv. Langfristig trägt das zu einer Transformation auf breiter Basis bei und das muss das Ziel sein. Durch über 45 Jahre Nachhaltigkeitsexpertise hat die GLS Bank aber einen traditionell sehr strengen Anspruch an Nachhaltigkeit. Diesen Anspruch fordern wir im Markt auch ein. So kann nachhaltige Transformation entstehen.

 

Wer mit Nachhaltigkeit wirbt, muss glaubhaft und somit transparent sein. Um dies zu erreichen, veröffentlichen Sie sogar alle Kreditvergaben an Firmenkunden. Wie geht das und was sagen die Kunden dazu?

CHRISTINA OPITZ Am Anfang eines jeden Finanzierungsgespräches steht das Thema Transparenz. Für die meisten ist das aber gar kein Thema. Im Gegenteil: Viele Kunden und Kundinnen freuen sich über die Aufmerksamkeit. Eine Kreditprüfung der GLS Bank ist häufig ein Aushängeschild. Denn es bedeutet, dass diese Unternehmen und Projekte strengsten ökologischen und sozialen Kriterien nachkommen. 

 

Oft steht die Frage im Raum: „Was kann eine Bank schon hinsichtlich Nachhaltigkeit bewirken?“ Ihre Antwort ist ein innovatives Bewertungssystem hinsichtlich sozialer und ökologischer Wirkung Ihrer Kreditvergaben. Können Sie uns das genauer erläutern?

CHRISTINA OPITZ Die vor zwei Jahren ins Leben gerufene Abteilung „Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit“ prüft die sozialökologische Wirkung unserer Kreditvergaben. Für unsere Branchen wurden Zukunftsbilder entwickelt und dazu sogenannte Wirkindikatoren formuliert, die diese Kriterien messbar machen. Beispiel Ernährung: Ist der Betrieb bio-zertifiziert? Werden alle am Produktionsprozess Beteiligten fair entlohnt? usw. All diese Parameter werden geprüft und in Gesprächen zwischen Beratern/Beraterinnen und Kunden/Kundinnen abgesprochen. 

Außerdem arbeiten wir mit dem Wuppertal Institut und dem Start-up „right. based on science“ zusammen. So konnte sowohl der CO2-Fußabdruck unseres Kreditgeschäfts- wie auch der einiger AnlageAngebote berechnet werden. Das Ergebnis war, dass wir bei allen überprüften Bereichen dem Rahmen des Pariser Klimaabkommens entsprechen. Das heißt, die bisher ermittelte Klimawirkung der GLS Bank liegt bei deutlich unter 2 Grad. Der Vorteil der Methode: Sie ist aussagekräftiger als die bloße Widergabe von Emissionen im Zeitverlauf. 

Im Bereich der Baufinanzierung existiert ebenfalls ein eigenes Verfahren der GLS Bank. Durch das „nWert-Audit“ können nachhaltige Qualitäten und Potenziale einer Immobilie analytisch aufgezeigt werden und dementsprechend Handlungsoptionen für Bau- bzw. Sanierungsvorhaben entwickelt werden. Eine Bank kann also nachhaltig wirken - und das nachweislich!

 

Die GLS gilt als führende nachhaltig orientierte Bank in Deutschland. Aber was könnten Sie heute schon besser machen?

CHRISTINA OPITZ Wir sind dabei, unsere Wirkungsmessung in unseren Geschäftsbetrieb zu integrieren, das wird sich mittelfristig auch auf unsere Steuerung und Berichterstattung auswirken. Ebenfalls wollen wir Unternehmen aufgrund der erhobenen Daten auf dem Weg zur Klimaneutralität beratend begleiten.

Zudem sind Lösungen im Onlinebanking denkbar, bei denen wir die Wirkung einzelner Posten (wie bspw. Girokonto, Geldanlage etc.) direkt und individuell ausweisen. Auch über unsere Zukunftsbilder wie eine dezentrale, bürgernahe und natürlich erneuerbare Energieversorgung werden wir mit unseren Stakeholdern in intensiven Austausch gehen. Wie sehen unsere Indikatoren dazu aus? Welche Lösungen gibt es und wie können sie umgesetzt werden? 

Schließlich bewegt uns, inwiefern wir die Transformation der Wirtschaft voranbringen können. Wie können wir konventionelle Unternehmen dabei begleiten, sich angemessen zu verändern und welche Rolle spielen wir dabei? 

 

Das Interview haben wir für zeb.core zum Thema "Nachhaltiges Banking" geführt.
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