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Wettrennen um die Kundenschnittstelle

Versicherer müssen neue und flexible Erreichbarkeiten ermöglichen, um den Kundenkontakt nicht zu verlieren – wie die Corona-Krise neue Möglichkeiten bietet 

  • Versicherer müssen neue Wege finden, um mit ihren Kunden in Kontakt zu treten

  • Versicherungen müssen sich auf den tatsächlichen Bedarf und die Prioritäten des Kunden fokussieren

  • Es kommt nicht auf die Menge der Kundendaten an, sondern auf die richtigen Fragestellungen

Kunde entscheidet Kommunikation

4.800-mal pro Tag werden wir im Jahr 2025 mit digitalen Geräten interagieren – rechnerisch also alle 18 Sekunden, so die Prognosen der Marktforscher von International Data Corporation (IDC). Heute findet laut Studien gerade einmal eine Interaktion alle 30 Minuten statt. Laut IDC erwartet uns also eine Steigerung um den Faktor 100 in wenigen Jahren. Versicherungen und auch Banken, die den Trend hin zu „always online“ nicht wahrhaben oder ihn aussitzen wollen, werden den Kontakt zu ihren Kunden verlieren. Denn wann und über welche Kanäle Kunden mit ihren Finanzdienstleistern kommunizieren, das entscheiden sie – und nicht das Institut. Dies gilt umso mehr, als dass neue Wettbewerber digitale 24/7-Erreichbarkeit als Selbstverständlichkeit ansehen.

Die Corona-Pandemie hat den Versicherern einen Spiegel für den jeweiligen Reifegrad vorgehalten und führt aktuell zu einer beschleunigten ad-hoc-getriebenen Digitalisierung einzelner Kontaktpunkte. Dabei kommt in vielen Häusern ein gesamtheitliches Konzept zur Steuerung der Kontaktpunkte zu kurz – die Folge sind unter anderem Reibungsverluste zwischen den Kanälen und innerhalb der Organisation. 

Die digitale Kundenschnittstelle wird für viele Kontakte der neue Standard

Das Kundenverhalten und die Kanalpräferenzen haben sich nun nachhaltig geändert und werden daher dazu führen, dass digitale Kundenschnittstellen für viele Kontakte der neue Standard werden. Versicherer stehen jetzt vor der Herausforderung, möglichst schnell und effektiv diese Digitalisierung der Kundenschnittstelle sicherzustellen. Mehr dazu lesen Sie auch in unserer neuen Ausgabe von zeb.core.

Versicherungen müssen sich kompromisslos daran orientieren, welche Leistungen die Kunden wirklich nachfragen und über welche Kanäle sie das tun, um die Wettbewerber auf Distanz zu halten. Ein ganz wichtiger Faktor hier ist Schnelligkeit: Die „Generation Mobile“ erwartet ein reibungsloses Ineinandergreifen aller Kanäle entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen nicht erst morgen, sondern sofort. Denn in anderen Bereichen des Alltags, sei es in der privaten Kommunikation oder beim Thema Musik, ist es längst Gegenwart.

Die technologischen Entwicklungen bieten ein gewaltiges Potenzial, um auf veränderte Bedürfnisse einzugehen. Schließlich ziehen Kunden eine Spur von Daten hinter sich her, die detailliert Aufschluss über ihre Wünsche gibt. Versicherer benötigen daher eine digitale Schnittstelle, über die sie zum einen alle Kundendaten erfassen, zum anderen die unterschiedlichen Informations- und Datenflüsse orchestrieren. Dass Kunden mehr Kontakt und Kommunikation mit ihrer Versicherung suchen, sollte nicht als Herausforderung verstanden werden, sondern als Steilvorlage.

Knackpunkt Kundenschnittstelle

Bisher allerdings, so unsere Erfahrung aus dem Markt, haben es erst die wenigsten Organisationen geschafft, den Absichten konkrete Taten folgen zu lassen. Statt die veränderten Bedürfnisse der Kunden anzupacken und die digitale Schnittstelle zu gestalten, optimieren viele Versicherer vorerst ihre internen Abläufe. Der Mehrwert für den Kunden ist überschaubar, falls die Einsparungen nicht weitergereicht werden.

Was viele verkennen: Der Kunde sitzt schon heute am längeren Hebel. Er hat über Vergleichsportale und Onlinemedien – zumindest gefühlt – einen guten Überblick über den Markt und die Preise. Er will plausible Angebote, umfassende Leistungen und das gute Gefühl, den richtigen Partner für Sicherheit an seiner Seite zu haben. Der Kunde wünscht, dass man sich um ihn kümmert und mit ihm kommuniziert, und zwar so, wie es am besten zu seinem Leben passt – in Echtzeit, wann es ihm beliebt und über seine bevorzugten Medien.

Multichannel funktioniert nur individualisiert

Es wäre allerdings nicht effizient, jedem Kunden jedes Produkt und jeden Kontaktpunkt anzubieten: Der Best Ager nutzt vielleicht Telefon und Tablet, Millennials bevorzugen Chatclients. Anhand der Präferenzen beginnt die Selektion und Steuerung der Kanäle. Sie ist der Kern, um den sich alle Schnittstellen drehen. Hier gilt es zu entscheiden, welche Kanäle am jeweiligen Touchpoint geöffnet sind und welche Versicherungsprodukte, Services und Mehrwertversprechen der Kunde in seinen Kanälen erhält.

Als Vorbild dienen die Webkonzerne. Sie machen dank hoher technischer und organisatorischer Qualität glänzende Geschäfte. Sie holen Kunden in ihrer Lebenswelt ab, vermitteln das ganz wichtige Gefühl einfacher Nutzbarkeit und logischer Customer Journeys und besetzen emotionale Kontaktpunkte.

„Wichtig ist, dass die kundenindividuelle Kommunikation von Versicherern nicht als notwendiges Übel, sondern als Chance gesehen wird.“

Philip Franck, Senior Manager

Umplanen und Umbauen

Auf dem Weg in die Zukunft können sich Unternehmen an fünf Gestaltungsprinzipien einer digitalisierten Organisation orientieren. Der Kunde steht in der Mitte eines Spannungsfelds aus Produkten und Services, Kanälen für die Kommunikation sowie den strategischen Facetten Steuerung, Organisation, Technologie und Skills. Aus dem Framework mit seinen Dimensionen bildet sich die jeweilige Kundenschnittstelle heraus – für jeden Kunden individuell ausgestaltet, um seine Bedürfnisse gezielt zu befriedigen.

Eine kundenzentrierte Kanalsteuerung kann jedoch nur funktionieren, wenn auch die zugehörige Prozesslandschaft und die Organisation selbst darauf ausgerichtet sind. Schließlich unterscheiden Menschen bei der Wahl ihres Zugangskanals nicht zwischen Ressorts und Zuständigkeiten und nehmen auch keine Rücksicht auf unternehmensinterne Grenzen. Daher müssen die Prozesse vom Anfang bis zum Ende – von der Erstanfrage beim Vermittler bis zur Policierung – durchgängig definiert und vor allem auch gesteuert werden.

Statt einer starren Organisation nach Ressorts und Zuständigkeiten werden künftig flexibel zusammengestellte Teams benötigt, um die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Hier kommt es darauf an, modularer zu denken und das Management der Workflows künftig deutlich stärker an alle Eingangs- und Ausgangskanäle anzudocken. Durch die kürzeren Zyklen zwischen neuen Services braucht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr flexibel in unterschiedlichen Rollen und mit anderen Beteiligten (intern/extern) zusammenarbeiten können. Hier sind vor allem die Führungskräfte als Coaches und Vorbilder gefragt.

Kanalwechsel will gekonnt sein

Die Qualität des Kundenerlebnisses bleibt weit hinter den technologischen Möglichkeiten zurück: Bei neun von zehn Versicherungen verlieren Kunden noch ihren Prozessfortschritt, wenn sie einen Kanalwechsel (etwa von der Website zu Telefonie) vornehmen. 40 Prozent der Kranken- und Lebensversicherer bieten ihre Produkte nicht auf Online- oder Mobile-Kanälen an und monetarisieren so bestehende Onlinekundenkontakte nur unzureichend.

All das Beschriebene lässt sich unter dem viel genutzten Begriff Agilität zusammenfassen und bezieht sich auf die Organisation, die Technologie und auch auf die Kultur der Mitarbeitenden und Führungskräfte. Gefordert ist an dieser Stelle „digitale Geschlossenheit“ einer Organisation, denn isolierte Initiativen, die nicht ineinandergreifen, enden häufig als Strohfeuer. Best Practices aus der Versicherungsbranche gibt es inzwischen einige. Auch sie sorgen dafür, dass die Erwartung der Kunden weiter steigt.

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„Doch nur 10 % der Versicherungen haben derzeit die Fähigkeit, ihren Kunden einen friktionslosen Kanalwechsel zu bieten.“

Am längeren Hebel

Es ist für Versicherer im zunehmenden Wettbewerb höchste Zeit, neue und flexible Kontaktpunkte für ihre Kunden zu ermöglichen. Multichannel heißt zugleich Individualisierung der Kanäle, Produkte und Services. Starre Organisationen haben keine Zukunft, vielmehr braucht es flexibel zusammengestellte Teams, vom Kunden her gedachte Prozesse und ein neues Führungsverständnis. Denn der Kunde sitzt am längeren Hebel.