European Banking Studie 2021 – 3. Ausgabe
Europas Banken auf dem Marathon zur Netto-Null
Europas Banken kommt bei der grünen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft eine zentrale Rolle zu. Investoren und nicht zuletzt Kunden erwarten, dass die Institute nicht nur Finanzierer des grünen Wandels sind, sondern auch Berichterstatter über Treibhausgas-Emissionen (THG) sowie Verbündeter in der Umstrukturierung. Vor diesem Hintergrund mangelt es vielen Banken immer noch an konkreten Zielen und transparenten Messzahlen. Nur wenige Banken haben ihre Ziele auf dem Weg zur Netto-Null außerdem festgelegt oder halten sie bereits nach. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Edition der European Banking Study (EBS) von zeb. Der Spezialist für die Beratung der Europäischen Bank- und Versicherungsindustrie hat sich zum dritten Mal in diesem Jahr mit der Frage beschäftigt, wie Banken in Europa den Weg der grünen Transformation mit ihren unterschiedlichen Portfolios erfolgreich einschlagen können.
Heinz-Gerd Stickling, zeb-Partner und Mitautor der Studie, führt aus: „Die frühzeitige Messung der Emissionen in den Bankportfolios sowie konkrete Pläne für ihre Reduzierung innerhalb der nächsten Jahrzehnte sind die zentralen Herausforderungen für Europas Finanzinstitute. Dem bloßen Lippenbekenntnis müssen jetzt konsequente Taten folgen, sonst werden Politik und Regulierungsbehörden die Regeln aufstellen und den Banken nicht die Freiheit lassen, ihren eigenen individuellen Weg zu wählen.“
Konkrete Ziele und transparente Zahlen sind bisher Fehlanzeige
Im Detail zeigt die aktuelle Edition der EBS, nur wenige Banken legen ihre Ziele konkret fest, die meisten bleiben in ihren Aussagen vage. Zwar haben sich fast alle Banken (47) dem Pariser Abkommen verpflichtet, ihre eigenen THG-Emissionen (Scope 1 und 2) veröffentlicht sowie ein paar allgemeine Ziele definiert und angegeben. Aber lediglich die Hälfte nennt im Reporting konkrete Ziele und Maßnahmen, mit denen sie die „Netto-Null“ erreichen wollen (z. B. durch Mitgliedschaft in der Net Zero Banking Alliance). Noch weniger Banken haben Zahlen zu den THG-Emissionswerten ihrer Kreditportfolios veröffentlicht - so geben 15 Institute teilweise Zahlen zu ihrem Portfolio an, aber nur zwei Institute gewähren Einblicke in ihr gesamtes Portfolio.
Von den betrachteten 50-Top-Instituten in Europa agieren insgesamt 13 Banken als Early Mover. Sie haben ihre Verpflichtungen oft seit Jahren veröffentlicht, konkrete Ziele und Aktionspläne für die Verringerung ihrer CO2-Fußabdrücke festgelegt, und sie gehen bei der Messung ihrer Portfolio-Emissionen voran. 19 Banken haben zumindest teilweise konkrete Ziele angegeben, berichten aber noch nicht konkret über ihre Portfolio-Emissionen. Weitere 18 Banken haben sich gerade auf den Weg zur Netto-Null gemacht. Sie sind gestartet und bleiben auf einem allgemeinen Niveau, d. h. sie haben zumindest ihre Verpflichtung und allgemeinen Ziele kommuniziert.
Messung von Emissionen in Bankportfolios steht am Anfang
Die Studienautoren haben in umfangreichen Big-Data-Analysen auf Basis extern verfügbarer Daten einen Ansatz entwickelt, um die finanzierten THG-Emissionen der 50 größten europäischen Banken schätzen zu können. Diese unterscheiden sich nach Outside-in-Berechnungen erheblich. Beispielsweise haben die 14 westeuropäischen Universalbanken mit fast 700.000 kt CO2-Äquivalenten (CO2e) die meisten Emissionen finanziert. Am anderen Ende der Skala finanzierten die fünf nordischen Privatkundenbanken in dieser Stichprobe THG-Emissionen von lediglich knapp 30.000 kt CO2e.
Insgesamt weisen die westeuropäischen Wholesale-Banken die höchsten Emissionsintensitäten auf. Dies ist vor allem auf ihre Ausrichtung und ihr entsprechend hohes Exposure in THG-intensiven Branchen zurückzuführen. So weisen Universalbanken mit ihrer globaleren Präsenz und ihren umfangreichen Unternehmensaktivitäten im Allgemeinen höhere Emissionsintensitäten auf als ihre auf das Privatkundengeschäft ausgerichteten Wettbewerber. Der Grund hierfür sind verschiedene Branchen- und Länderfaktoren und vor allem ein höherer Anteil des Hypothekengeschäfts mit einer geringeren Emissionsintensität als einige andere Branchen bei den Retail-Banken.
Dr. Ekkehart Bauer, Mitautor der Studie, erläutert: „Unser Ansatz zur externen Messung der Treibhausgas-Emissionen hat seine Grenzen. Erst tiefergreifende Messungen in den Instituten selber wären in der Lage, individuelle Besonderheiten in den jeweiligen Portfolios zu berücksichtigen. In dieser Frage steht das Groß der Branche tatsächlich noch am Anfang.“
Der Marathon Richtung Netto-Null beginnt
Aus Sicht der Studienautoren ist der Weg zur Netto-Null bei den Treibhausgas-Emissionen in den Bankportfolios kein Sprint sondern ein Marathon in drei Schritten. Am Anfang steht die Messung des eigenen Startpunktes. Dabei sollten Banken einen pragmatischen 80:20-Ansatz verfolgen, indem sie sich z.B. auf die wichtigsten Kunden bzw. größten Umweltverschmutzer konzentrieren und für den Rest Branchendurchschnitte oder Nährungswerte verwenden. Danach sollten Banken ihre Ambitionen in ein realisierbares, modulares Zielbild sowie operative Meilensteine übertragen. Eine transparente Berichterstattung über ihre THG-Emissionen folgt als letzter Schritt.
Dr. Ekkehard Bauer ergänzt: „Die Erwartungen der Stakeholder und Aktionäre an Europas Banken und deren CO2-Agenda sind nicht nur dynamisch und volatil, sondern auch widersprüchlich. Hinzu kommt, es gibt bisher keine Best-Practice in der Governance. Wer bei der Netto-Null-Transformation die Führung übernimmt und wer welche Aufgaben innerhalb der Bank verantwortet, ist unbestimmt. Die Klärung dieser komplexen Fragen kann nicht der Regulator übernehmen, sie muss von der Bank selbst in die Hand genommen werden.“
Hans-Gerd Stickling bemerkt abschließend: „Banken spielen bei grünen Transformation eine Schlüsselrolle – ob sie es wollen oder nicht. Der Weg zu Netto-Null-Emissionsportfolios ist unausweichlich. Institute, die sich des Themas konsequent und frühzeitig annehmen, eröffnen sich Chancen. Sie übernehmen gegenüber Aktionären, Stakeholdern, Regulatoren und Kunden eine proaktive Rolle in der grünen Transformation und damit eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe bei der Sicherung der Lebensgrundlage für zukünftige Generationen.“
Weiterer Information zur European Banking Study 2021 sowie der ersten und zweiten Edition mit den finanziellen Dimensionen des Wandels beim Investitionsbedarf für die Realwirtschaft und den damit verbundenen Finanzierungsbedarf aus Sicht der Banken hier.