„Wir wollen andere ermutigen, sich auf den Weg zu machen.“

 

 

Elke Benning-Rohnke ist Aufsichtsrätin und Senior Advisor bei zeb. Sie zählt zu den führenden Expertinnen für Customer Centricity bei mittelständischen und großen Unternehmen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Joachim Hasebrook, Leiter der zeb-Abteilung Forschung und Entwicklung, und Mirjam Pütz hat sie jetzt ein Buch mit dem Titel „Kunden begeistern“ herausgebracht.
Es unterstützt Verantwortliche in der nachhaltigen Umsetzung von Customer Centricity mit Expertise und Erfahrungsberichten. Dabei bietet es exklusive Einblicke in die Vorgehensweise unterschiedlicher Unternehmen aus Finanz-, Automobil- und Gesundheitsbranche.
Im Interview sprechen Benning-Rohnke und Hasebrook über ihre Motivation für das Thema Customer Centricity, die unterschiedlichen Facetten des kundenzentrierten Ansatzes und wie zeb Unternehmen unterstützt, konsequent kundenorientiert zu arbeiten.

client centricity

„Wir haben natürlich die Finanzwirtschaft analysiert, aber auch einen Blick über den Tellerrand gewagt.“

Wie entstand die Idee zum Buch ?
Elke Benning-Rohnke: Customer Centricity umfasst viele Bereiche, von der IT bis zum Vertrieb, ist aber oft in eher kleinen Teams bei Strategie oder Marketing angesiedelt. Es wird häufig als „weiches Thema“ gesehen und das damit verbundene Business-Potenzial stark unterschätzt. Das macht es schwer, intern Gehör und Budget zu finden.

Wir haben uns also gefragt: Wie machen das die anderen Player? Wo stehen sie mit dem Thema Kundenbegeisterung? Also aktivierten wir unser Netzwerk und schlugen einen Austausch auf C-Level-Ebene vor. Nach kurzer Entrüstung, im Sinne von „Ich erzähle doch keinem Wettbewerber, wo wir stehen!“, tauschten sich dann acht führende Banken und Versicherungen über ein Jahr regelmäßig miteinander aus.

Der Austausch war so erhellend für alle, dass für uns schnell feststand: Wir wollen unsere Erfahrungen in einem Buch, in Videos und Beratungsansätzen weitergeben. Unser Ziel war es, einen authentischen, ehrlichen und praxisbezogenen Einblick in die Vorgehensweisen und Herausforderungen der jeweiligen Unternehmen zu geben und andere zu ermutigen, sich auf den Weg zu machen. 

Welchen Mehrwert bietet das Buch und  wie unterscheidet es sich von den zahlreichen anderen Werken zum Thema Kundenzentrierung?
Prof. Dr. Joachim Hasebrook: In vielen Werken wird das Thema sehr theoretisch angegangen und anhand von komplizierten Modellen erläutert, die in der Praxis nicht oder schwer umsetzbar sind. Deswegen haben wir uns auf aktuelle Praxisbeispiele fokussiert und Originaltöne in Videointerviews eingesammelt, damit man neben den Modellen und Vorgehensweisen auch die Menschen kennenlernt, die diese entwickeln und umsetzen. So verstehen wir bei zeb auch unseren Beratungsansatz: Theoretisch fundiert, technisch versiert, aber vor allem auf die erfolgreiche Umsetzung fokussiert. 

Benning-Rohnke: Neben zahlreichen Beispielen aus der Finanzwirtschaft haben wir einen Blick über den eigenen Tellerrand gewagt. In der Automobilbranche wird ähnlich produktorientiert gedacht und gehandelt wie in der Finanzwirtschaft, sie ist jedoch stärker in einem globalen Transformationsprozess begriffen. Im Gesundheitswesen finden derzeit die größten Entwicklungen statt. Dieses wird sich in den kommenden Jahren fundamental wandeln, hin zu einer verbraucherzentrierten Medizin mit mündigeren Patientinnen und Patienten. 

Frau Benning-Rohnke, Sie haben bereits vor über zehn Jahren ein Buch mit dem Titel „Kundenorientierte Unternehmensführung“ veröffentlicht. Wie hat sich das Thema im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt?
Benning-Rohnke: Seit ich berufstätig bin, beschäftige ich mich mit den Themen Kunden- und Marktpotenziale. Die Kunden zu kennen, ihre Vorlieben und Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen und sie an das Unternehmen zu binden, ist seit vielen Jahrhunderten der Schlüssel für Unternehmenserfolg. Mit den Möglichkeiten und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die Herangehensweise an das Thema Kundenbegeisterung allerdings immer wieder verändert. 

Wie lange gibt das „Denken vom Kunden her“ eigentlich schon?
Benning-Rohnke: Tatsächlich gibt es Belege, dass bereits im 14. Jahrhundert Kundenzentrierung ein wichtiges Thema war. Mit dem Beginn der industriellen Produktion verlagerte sich der Fokus dann von der persönlichen Beziehung hin zu einer stärkeren Beachtung eines systematischen Qualitätsmanagements. Die Optimierung standardisierter Prozesse und die Leistungsmerkmale eines Produktes standen dabei im Vordergrund. Kundenorientierung definierte sich in dieser Zeit über die produktbezogene Bedürfnisbefriedigung. 

Mit dem Aufkommen der Sinus-Milieus vor über 40 Jahren begann ein Verständnis für unterschiedliche Werte und Lebenswelten von Kunden, die nach Gruppen kategorisiert wurden. Marktforschungsinstrumente entwickelten sich weiter und Produkterlebnisse wurden ganzheitlicher begriffen. Die Entwicklung des NPS war der nächste logische Schritt.

„NPS“ – das müssten Sie bitte erklären!
Benning-Rohnke: Der Net Promoter Score, kurz NPS, ist eine Kennzahl, die eine Verbindung zwischen der individuellen Weiterempfehlungsbereitschaft von Kunden und dem Unternehmenserfolg herstellt. Entwickelt hat sie der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Fred Reichheld Anfang der 2000er Jahre.

Mit dem NPS erfährt man mit wenig Aufwand, warum Menschen etwas lieben und warum nicht. Diese Methode hat sich inzwischen in vielen Unternehmen durchgesetzt und ein Umdenken angestoßen. Digitalisierung und Big Data haben in der Folge den Trend zur Personalisierung und Echtzeit-Beobachtung angetrieben. Das hat auch die Kunden geprägt. Sie erwarten heute Informationen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Data Analytics können heute zudem Vorhersagen zum Kundenverhalten getroffen und für eine optimale Kundenansprache genutzt werden.

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„Wir wollen andere ermutigen, sich auf den Weg zu machen.“

Der Aufbruch von der Produkt- zur Kundenorientierung ist in vielen Unternehmen eher von der technischen Entwicklung getrieben, weniger von einem kundenorientierten Mindset.

Herr Hasebrook, wie setzt zeb Digitalisierung und Künstliche Intelligenz für kundenzentrierte Ansätze ein?
Hasebrook:
Mithilfe unserer eigenen IT-Entwicklung und einem großen Team aus Data-Science-Expertinnen und -Experten entwickeln wir Strategien und Konzepte zu Organisationsentwicklung und Change-Prozessen. Im Rahmen von TABULARAZA, unserer Marke für Digitale Transformation, nutzen wir agile Methoden wie Design Thinking für kundenzentrierte Innovationen. Unter dem Dach von zeb.move leiten wir für unsere Kunden ganzheitliche Veränderungsprozesse ein. Darüber hinaus bieten wir ein großes methodisches Spektrum, um Kundenmotive besser zu verstehen. Beim Einsatz von KI und Kundendaten sind wir sehr vorsichtig und im engen Austausch mit den Aufsichtsbehörden, mit denen wir unsere Modelle und aktuelle Anwendungen diskutieren.

Fakt ist: zeb ist der einzige Anbieter im Bereich Finanzdienstleistung, der eine hohe fachliche und Umsetzungskompetenz in diesem Umfang leisten kann.

Sie haben zusammen vier Facetten der Kundenzentrierung ausgearbeitet. Wie kamen Sie auf diesen Vierklang?
Benning-Rohnke:
Die vier Facetten der Kundenzentrierung sind eine wesentliche Erkenntnis aus dem persönlichen Austausch und der Analyse der Praxisbeiträge. Dabei haben wir festgestellt, dass Unternehmen bei diesem Thema unterschiedlich agieren. Zum einen bestimmt durch die Ziele, die sie verfolgen, zum anderen durch die Haltung, die sie – teils unbewusst – einnehmen. Die vier Facetten können nicht immer trennscharf abgegrenzt werden.

Unter Redesigning fassen wir Beispiele von Unternehmen zusammen, die aus einer von innen getriebenen Sicht bestrebt sind, Kundenerlebnisse zu verbessern. Dabei werden häufig Defizite in der Customer Journey eliminiert oder besondere Erlebnismomente gestärkt. In unserem Buch stehen dafür BMW, die Zurich Versicherung und die Weser-Elbe Sparkasse, kurz WESPA.

Reoffering ist für Unternehmen relevant, die das primäre Ziel verfolgen, den Kunden über einen langen Zeitraum mit den jeweils passenden Angeboten zu versorgen und dabei Data-Analytics-Methoden einzusetzen. Das Praxisbeispiel von der R+V Versicherung beschreibt diesen Weg sehr anschaulich. 

Reframing beschreibt einen Wandel in der Haltung eines Unternehmens gegenüber den Kunden. Das Unternehmen versetzt sich in die Lebenswelt ihrer Kunden und entwickelt aus diesem Verständnis heraus neue Angebote, die oft über das originäre Produkt hinausgehen. In unserem Buch stehen dafür die Consorsbank und die Bausparkasse Schwäbisch Hall.

Reinventing ist ein Ansatz, der für ein Unternehmen ganz neue Wirkungsfelder eröffnet bzw. neu definiert. Derzeit finden wir diesen Ansatz verstärkt im Gesundheitswesen. Bei uns liefern der Pharmakonzern Roche und die Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz dazu anschauliche Beispiele. 

In welche Richtung sollte sich die Finanzdienstleistung in Bezug auf Customer Centricity entwickeln?
Hasebrook:
Der Aufbruch von der Produkt- zur Kundenorientierung ist in vielen Unternehmen eher von der technischen Entwicklung getrieben, weniger von einem kundenorientierten Mindset. Die Branche muss sich von dieser reinen Technikfixierung lösen, die letztlich im alten Denken wurzelt, das Organisationen als eine Art Maschine sieht und ein tiefes Kundenverständnis aus Daten automatisiert berechnen will.

Data Analytics ist sicher ein wichtiges Hilfsmittel. Aber mit Daten allein erreicht ein Unternehmen weder eine durchgreifende Kundenorientierung noch entsteht daraus ein USP, also ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal am Markt. Der fortlaufende Dialog mit den Kunden ist durch nichts zu ersetzen. Nur so lassen sich eigene Entscheidungen immer wieder an den Rückmeldungen der Kundschaft messen und Vorstellungen davon entwickeln, welche Produkte und Dienstleistungen ein Unternehmen seiner Zielgruppe in Zukunft bereitstellen muss.