Leasing beschleunigt die Elektro-Mobilität
Wie grün muss Grün sein? Herausforderungen für das Leasing durch das Thema Nachhaltigkeit
Drei Fragen an Dr. Klaus Strenge, Partner
Drei Fragen an Dr. Klaus Strenge, Partner
Klaus Strenge, Partner bei zeb, ist einer der Leasing-Experten in Deutschland. Im Interview erläutert er, wie Leasing die Verkehrswende beschleunigt.
Wie geht es nach gut einem Jahr Corona und einem Rückgang des Bruttosozialprodukts von rund 5 Prozent der Leasing-Branche?
Leasing ist als Ganzes bislang gut durch die Pandemie gekommen. Erste für das Leasing relevante Branchen stehen wieder unter Volllast. Engpässe gibt es weder bei Liquidität, noch bei Kunden oder Mitarbeitern. Bei der Fahrzeug-Produktion gibt es in Teilbereichen Engpässe bei Chips und Stahl. Hier wurde der Nachfrageboom unterschätzt und nicht im ausreichendem Umfang geordert.
Aber es gibt nicht nur Licht: Ausfälle können noch kommen, weil sie durch das Aussetzen der Insolvenzpflicht verschoben wurden. Und was wir auch feststellen: Der Kostendruck wird höher. In den guten Jahren war die Kostenseite nicht so im Fokus. So behindern etwa individuelle Softwarelösungen Weiterentwicklungen sehr. Und: Neue Anbieter kommen auf den Markt und versuchen, mit neuen Erlösmodellen Marktanteile zu gewinnen – etwa durch Pay-per-use-Angebote, also Bezahlung nur nach Nutzung. Allerdings zielen viele der Startups eher auf Kooperationen oder werden von etablierten Anbietern übernommen.
Leasing-Objekte haben meistens relativ kurze Laufzeiten. Wie passt das zum Thema „Nachhaltigkeit”? Sind „Nachhaltigkeit und Leasing” nicht ein Widerspruch in sich?
Im Gegenteil. Beispiel E-Auto: Die Zinskosten sind derzeit gering, die handling costs bekannt, Motor und Karosserie verschleißen vergleichsweise wenig. Der Wertverlust findet über den Akku statt. Und hier ist die spannende Frage: Wie sehr verschleißen diese, welchen Restwert haben sie nach drei Jahren und welche neuen Generationen an Akkus kommen in den nächsten Jahren auf den Markt. Diese Unsicherheiten führen dazu, dass E-Autos eher geleast werden als Verbrenner. Gerade E-Mobilität und Leasing hängen eng zusammen.
Die markenabhängigen Leasing-Gesellschaften, die sogenannten Captives wie etwa Volkswagen Financial Services, haben das Know-how für derartige Kalkulationen und bieten entsprechende Leasing-Programme an. Sie sind auch in der Lage, die Wagen gegebenenfalls mit neuen Batterien zu versehen und auch nach Ablauf des Leasing-Vertrages zu verkaufen. Wer diese Kette heute schon beherrscht, kann mit attraktiven Konditionen am Markt auftreten und damit den Umstieg hin zu mehr E-Mobilität beschleunigen.
Letztlich also Rückenwind fürs Leasing durch ESG?
Vor allem neue Aufgaben: Wie sind Flottenbestände unter ESG-Gesichtspunkten zu bewerten? Oder kurz gesagt: Wie grün muss der Anteil von Grün sein. Also: Wie sind Neuwagen, die Euro-6-Abgasnormen erfüllen, zu bewerten, wie Hybrid-Fahrzeuge? Was bedeutet das für das Risk Management und wie sind Leasing-Verträge auszugestalten? Das sind die Themen, mit denen wir uns derzeit intensiv beschäftigen.
Daneben gibt es noch das Thema einer fehlenden Kundenzentrierung. Das hört sich trivial an, ist es aber nicht in einer Branche, die bisher sehr stark auf das Produkt fokussiert ist und deren Organisation entsprechend aufgebaut ist. Hinzu kommt: Kunde ist im Leasing-Bereich ja oftmals ein Unternehmen. Außerdem wird das Fahrzeug traditionell noch über einen Vertragshändler gekauft. Wer den Wagen tatsächlich fährt, weiß der Hersteller in der Regel nicht. Somit können dem Kunden auch keine weiteren Angebote gemacht werden – etwa der Gebrauchtwagen für das Kind, das gerade den Führerschein macht oder der gemietete Verbrenner für die Urlaubsreise statt des E-Autos als Dienstwagen. Sämtliche “digitalen” Upgrade-Angebote sind i.d.R. auf das Fahrzeug zugeschnitten, aber mit der Ausrichtung auf kundenorientierte Mobilitätsbedürfnisse tun sich traditionelle Anbieter noch schwer.
Stichwort „Leasing”
Zurzeit sind in Deutschland Wirtschaftsgüter im Wert von über 220 Mrd. Euro verleast. Geleast werden neben Pkw und Nutzfahrzeugen vor allem Maschinen, IT-Equipment und Software sowie andere Ausrüstungsgüter. Rund 80 Prozent des Leasing-Neugeschäfts entfallen dabei auf das Fahrzeugleasing (Pkw sowie Nutzfahrzeuge); 2019 mit einem Plus von neun Prozent. (Zahlen für 2020 liegen noch nicht vor.)
Bald jede zweite Pkw-Neuzulassung in Deutschland ist ein Leasingfahrzeug. Für Kunden sind die Leasing- und Finanzierungsprodukte der herstellereigenen Finanzdienstleister oft fester Bestandteil des Autokaufs. Die konzerneigenen Autobanken und Leasinggesellschaften sind mit einem Marktanteil von über zwei Dritteln die wichtigsten Absatzförderer der Automobilhersteller.
Für die Autoproduzenten sind sie nicht nur ein bedeutender Absatzkanal, sondern auch wichtig für die Profitabilität von Herstellern und Handel. Berechnungen zufolge liegt der Wertbeitrag, den Leasing, Finanzierung, Versicherungen und andere autonahe Finanzdienstleistungen in der automobilen Wertschöpfungskette generieren, i.d.R. bei über 30 Prozent.
Die konzerngebundenen Autobanken und Leasinggesellschaften, kurz Captives genannt, sind zu einer volkswirtschaftlich relevanten Bankengruppe herangewachsen. Die größte der Autobanken zählt zu den Top 15 der Banken in Deutschland und wird direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt.