„Der eigentliche Test für die Banken steht noch bevor.“

Drei Fragen an Dr. Dirk Holländer, Partner und Leiter zeb.Business School

 

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Die Aktienmärkte feiern neue Höchststände. Bankaktien profitieren davon aber nur unterdurchschnittlich. Was waren die Gründe im Jahr 2020 und welchen Ausblick gibt es für das Jahr 2021 – kurz: Wie geht es den europäischen Banken? Dazu bezieht Dirk Holländer, Partner und Leiter der zeb.Business School, in unserem Kurzinterview Stellung. 


COVID-19, über vier Prozent weltweites BIP-Minus, bevorstehende Insolvenzwelle – ein in vielerlei Hinsicht schwieriges Jahr liegt hinter uns. Mit Blick auf die Banken: Wie tief werden die Risse in den Bilanzen und der GuV sein?
 
Grundsätzlich waren die Banken im zurückliegenden Jahr ein wichtiger Teil der ökonomischen Rettungsmannschaft. In dieser Rolle haben sie mit und für ihre Kunden einen wichtigen Beitrag geleistet. Trotz der damit verbundenen Belastungen zeigen sich viele große europäische Banken mit Blick auf ihre Kapitalausstattung nach wie vor stabil. Wir erwarten, dass die Kapitalquoten zum Ende des Jahres 2020 im Durchschnitt immer noch gut sind und insgesamt sogar leicht steigen werden. Zusätzlich haben viele Banken als Reaktion auf die Krise und die einhergehende Unsicherheit ihre eigentlich ohnehin schon hohen Liquiditätspuffer nochmals deutlich ausgebaut.

Das eigentliche Problem bleibt die Profitabilität vieler großer europäischer Banken. Schon in den letzten Jahren waren die Gewinne gering, wie wir in unserer European Banking Study immer wieder analysiert haben. Diese Situation hat sich durch das Krisenjahr 2020 nochmals verschärft. Betrug die Eigenkapitalrendite der 50 größten Banken in Europa im Durchschnitt 2019 noch 6,4 Prozent, so hat sie sich im Zuge der Pandemie – nach unseren Schätzungen – auf 3 Prozent im Jahr 2020 mehr als halbiert. 

Insgesamt erwarten wir, dass von den 50 großen europäischen Instituten etwa 10 bis 15 Verluste schreiben werden. Nur etwa eine Handvoll Banken wird es schaffen, in die Nähe ihrer Ergebnisse von 2019 zu kommen. Die Mehrzahl wird zumindest einen Gewinn verzeichnen können – bei teilweise deutlichen Rückgängen.

Woraus resultieren die deutlich gesunkenen Ergebnisse für das Jahr 2020?
 
Zu Beginn der Krise gab es Befürchtungen hinsichtlich möglicher negativer Ertrags- und Kosteneffekte in der Pandemie. Rückblickend haben es die großen europäischen Banken aber geschafft, diese zu managen. Teilweise gab es sogar positive Effekte: das Asset- und Wealth-Management und insbesondere das Investmentbanking – lange Jahre ein Problemfeld mancher Institute – profitierte deutlich von höheren Unsicherheiten und damit verbundenen Marktvolatilitäten. Zudem stiegen die Volumina im Kreditgeschäft stark an.

Die operativen Kosten konnten durch teilweise harte Einschnitte, wie die Senkung externer variabler Kosten oder die Verschiebung größerer Projekte in das Jahr 2021, stabilisiert und sogar gesenkt werden. 

Was jedoch zu Buche schlägt, sind die sprunghaft angestiegenen Risikokosten. Nach den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 überstieg die Risikovorsorge — in Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme — bereits den Vorjahreswert. 

Wir erwarten für die beiden letzten Quartale 2020 insgesamt eine Normalisierung der Risikovorsorge. Dennoch wird sie für das Gesamtjahr voraussichtlich mehr als doppelt so hoch ausfallen wie 2019. Aber: Die Höchststände bei der Risikovorsorge in den Jahren nach der globalen Finanzkrise sollten nicht erreicht werden.

Schauen wir nach vorne. Was bringt 2021 für die europäischen Banken?
 
Mit Blick auf die Profitabilität hat sich in der Krise das Kernproblem vieler Institute offenbart. Die gestiegenen Gewinne der vergangenen Jahre haben sich im Wesentlichen nicht aus dem operativen Geschäft gespeist, sondern aus der schmelzenden Risikovorsorge. Die Banken haben in den letzten Jahren seit dem Ende der europäischen Staatsschuldenkrise von einem sich stetig verbessernden Kreditumfeld profitiert. 

Und nun stehen viele Banken vor der Situation, in der sie mit zunehmend notleidenden Krediten in ihrem Portfolio umgehen müssen und gleichzeitig zu operativen Maßnahmen, meist weiteren Kostensenkungen oder Anpassungen in der Preispolitik, gezwungen sind. 

Zusätzlich steht ab der zweiten Hälfte des Jahres 2021 der eigentliche Test für die Widerstandsfähigkeit der Banken noch bevor, wie unsere aktuelle Vorschau auf die Status Quo-Analyse der European Banking Study 2021 gerade gezeigt hat. Nach dem Auslaufen der Moratorien und staatlichen Hilfen ist mit einem Anstieg der Insolvenzzahlen zu rechnen – mit ggfs. negativen Effekten auf die GuV, sofern die bisher gebildeten Risikovorsorgen nicht ausreichen sollten. 

Darüber hinaus könnten erwartete Ratingverschlechterungen im Firmenkundengeschäft zu einer Inflation der risikogewichteten Aktiva führen — und damit zu einer Verringerung der Kapitalquoten. Obwohl wir also in vielen Bereichen vorsichtig auf Wege aus der Pandemie hoffen können, werden einige Effekte die Banken nachgelagert treffen. 

Die bisherige Entwicklung lässt zwar hoffen, dass der Bankensektor an sich auch diese Belastung meistern wird. Der eigentliche Test steht allerdings in diesem Jahr noch bevor.