Geschlechter gerecht? Wie steht´s darum in deutschen Banken?

Die Rechnung ist ebenso einfach wie deprimierend: Entwickelt sich der Zuwachs an weiblichen Vorständen in den 100 größten deutschen Banken so weiter wie bisher, wird die Geschlechterparität - Stichwort Diversität - erst im Jahr 2098 hergestellt sein.

Dieser Umstand ist schon allein aus Gründen der Gerechtigkeit beklagenswert. Die zeb-Partnerin Sandra Douqué führt allerdings weitere Argumente ins Feld: „Den aktuellen Mangel an Diversität werden sich viele Kreditinstitute schlicht nicht mehr leisten können. Diverse Teams sind nicht nur erfolgreicher; es fehlen den Banken ohne die Frauen künftig auch die dringend benötigten Fach- und vor allem Führungskräfte.“

Vor diesem Hintergrund hat zeb eine deutschlandweite Kampagne für mehr Diversität in Regionalbanken gestartet.

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Frau Douqué: Was erleben wir zuerst: Klimaneutralität oder Diversität in den Vorständen deutscher Regionalbanken

SANDRA DOUQUÉ: Sagen wir es so: Von beidem sind wir noch zu weit entfernt. Aber beides ist unverzichtbar. Und beides verlangt nach Transformationsprozessen. Grundsätzlich sehe ich sowohl die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft als Chance als auch das Thema Diversität. Dabei will ich hier gar nicht nur von Geschlechtergerechtigkeit reden. Es geht insgesamt um mehr Vielfalt in den Teams – und das aus einem einfachen Grund: Diverse Teams sind performanter.

Woran scheitert eine höhere Diversität denn bisher?

Zum einen ist das klassische Familienmodell immer noch sehr präsent in den Köpfen. Das mag nicht für jede Sparkasse und Bank gleichermaßen gelten und auch nicht für jede Größenklasse oder für jede Region. Aber wir stellen in unserer Projektarbeit schon fest: Die derzeitigen Karrierepfade sind oft für Männer gebaut. Zum anderen legen eher die Frauen nach der Geburt eines Kindes eine berufliche Pause ein. Eine Rückkehr in den Job ist dann häufig mit einem Karriereknick verbunden – nicht zuletzt, weil Führung in Teilzeit immer noch sehr selten ist.

Was muss konkret getan werden, damit Vorstände diverser werden?

Mangelnde Diversität wird als Thema einfach noch nicht richtig erkannt bzw. wahrgenommen. Ich treffe bei etwa vier von fünf Instituten auf das Empfinden: So wie es ist, ist es normal und auch gut. Mangelnde Diversität überhaupt zu thematisieren und die Entscheidenden dafür zu sensibilisieren, ist daher eines unserer Hauptanliegen und der allererste Schritt auf dem Weg. Denn erst durch die Beschäftigung mit dem Thema wird dann als Nächstes erkennbar: Diversität bedeutet auch mehr Leistung und bringt somit Vorteile. Und ein zweiter Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung: Mit Blick auf den Nachwuchs kann es sich die Branche weniger denn je leisten, auf die Hälfte der Bevölkerung zu verzichten. Also: Wesentlich für Veränderung ist, den Status quo zu thematisieren.

Um es plastisch zu machen: Wie könnten erste Maßnahmen aussehen? Womit kann jede Bank direkt beginnen?

Nehmen wir als Beispiel die Besetzungsprozesse. Der sogenannte „Unconscious Bias“ spielt hier eine große Rolle, also die unbewusste Auswahl von Personen, die mir selbst ähneln. Verkürzt gesagt: Männer wählen eher Männer für Führungspositionen aus, Frauen eher Frauen. Es geht bei Stellenbesetzungen also viel zu oft nicht alleine um die Kompetenz, sondern um die Selbstähnlichkeit. Und bei hierzulande 90 Prozent männlichen Bankvorständen in den Top-100-Banken ist das Ergebnis dann eben eine weitgehende Zementierung des Status quo.

Deshalb empfehlen wir als eine erste Maßnahme, Auswahlteams hinsichtlich der eigenen blinden Flecken zu sensibilisieren, sie diverser zu besetzen und letztlich auch eine Geschlechtervorgabe für jede Führungsebene zu machen – und seien es am Anfang auch nur 30 Prozent.

Also eine Quote?

Ja, weil wir nur so das angesprochene Problem der Selbstähnlichkeit durchbrechen können. Wir setzen da aber auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Institute und nicht auf gesetzliche Vorgaben. Und wir vertrauen auf den Markt und die eigene Erkenntnis. Mangelnde Diversität werden sich die Institute künftig schlicht nicht mehr leisten können.

Haben Sie noch mehr konkrete Beispiele?

Gerne. Institute sollten sich z. B. die Frage stellen, wie sie mit Kolleginnen und Kollegen umgehen, die sich in Elternzeit befinden. Sind diese Personen einfach raus oder hält man den Kontakt, fördert sie vielleicht auch in dieser Zeit? Gibt es Mentorinnen und Mentoren für sie und – ganz banal – lädt man sie zur Weihnachtsfeier oder dem Abteilungsausflug ein, um sie „im Loop“ zu halten und ihnen den Wiedereinstieg zu erleichtern?

Insgesamt haben wir natürlich eine ganze Palette an konkreten Maßnahmen und Anregungen, die wir in unseren Projekten mit den Kunden diskutieren, ggf. anpassen und dann verabschieden.

Wer sind die Promotoren für mehr Diversität in den Kreditinstituten?

Für Vorstände steht das Thema Nachhaltigkeit aktuell sehr weit oben auf der Agenda. Zur Nachhaltigkeit zählt – neben vielen anderen Aspekten – auch das Thema Diversität. Insofern: Wer nachhaltig sein will, muss auch divers sein.

Dazu kommt die Sorge von Vorständen und Personalverantwortlichen um den Nachwuchs und um die eigene Reputation. Wo kommen die Nachwuchskräfte her? Wie wirke ich am Arbeitsmarkt und/oder in der Region bei meinen Kunden? Banken stehen auf der Hitliste der Berufswünsche nicht mehr so weit oben wie vormals. Schon aus diesem Grund wird es sich die Branche nicht mehr leisten können, einem Großteil potenzieller Führungskräfte keine ausreichenden Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten.

Oder um es mit Theresa J. Withmarsh, Executive Director des Washingtoner State Investment Boards zu sagen: "Wenn man 50% des Talentpools ausschließt, ist es kein Wunder, dass man sich in einem Krieg um Talente befindet."

Was versprechen Sie sich von dieser Kampagne?

Unsere Kampagne ist eine Wachmacherkampagne. Wir wollen Diversität zu einem Thema machen, über das in Banken gesprochen wird und an dem niemand mehr vorbeikommt.

Letztlich wollen wir erreichen, dass Diversität das New Normal wird und es selbstverständlich ist, dass sich Frauen nicht nur auf Führungspositionen bewerben, sondern sie auch bekommen.