Die Zeit, die Unternehmen bleibt, einen ertragreichen Platz auf dem Markt zu ergattern, nennt man „Window of Opportunity“. Dieses Zeitfenster wird immer kürzer: Bis der Markt für Fernsehgeräte gesättigt war, vergingen 70 Jahre. Beim Smartphone waren es keine zehn. Wer heute nicht schnell und flexibel auf neue Kundenwünsche reagiert, dem wird das Fenster vor der Nase zugeschlagen. Aber müssen sich jetzt auch Sparkassen in agilen Teams und in Sprints organisieren, so, wie es die Spotifys und Googles dieser Welt tun? Wenn sich sogar die erfolgreiche ING-Diba statt in Abteilungen und Bereiche jetzt in Squads, Tribes und Chapters aufstellt: Sollen Sparkassen das auch?
Um diese Frage zu beantworten, muss man die vier Kernelemente einer Agilen Organisation kennen. Denn: Agilität umfasst nicht nur agiles Arbeiten, was viele ja schon tun, sondern eben auch agile Organisation und agile Strategie. Und man muss verstehen, wo man landet, wenn man das nicht so umfassend angeht. Doch zunächst zu den vier Kernelementen.
Die vier Elemente der agilen Organisation
Da ist zuallererst die konsequente Kundenorientierung: Alles, wirklich alles, was man tut oder anbietet, richtet sich nach den Kundenbedürfnissen aus. „Machen wir schon!“, wird jetzt manch Kundenberater sagen: „Wir fragen uns immer, wie wir unser Produkt unseren Kunden am besten anbieten.“ Schon da steckt der Denkfehler: Kunden interessieren sich per se nicht für irgendein Produkt der Sparkasse. Was Kunden wollen, erfährt man im Gespräch mit Kunden. Am besten draußen, auf der Straße. In unseren Projekten gehen wir mit den Beratern raus, überwinden Schwellenängste – und gewinnen oft erstaunliche Erkenntnisse.
Diese Erkenntnisse werden dann schnellstmöglich umgesetzt. Damit sind wir beim zweiten Kernelement: flexible Strukturen mit hoher Eigenverantwortung. Selbstorganisierte, fachübergreifende Teams arbeiten auf Augenhöhe, frei von Machtkämpfen, ohne Killerphrasen wie „Das war schon immer so“, und in kurzen, intensiven Projektphasen, den „Sprints“. Dadurch entfallen langwierige Entscheidungswege, die zumeist dazu dienen, sich abzusichern und so wenig wie möglich Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen organisieren die Mitarbeiter sich selbst und treffen in kleinen Teams Entscheidungen. Führung gibt es nach wie vor – nur verteilen sich die Führungsaufgaben auf verschiedene Funktionen, und nur auf Zeit.
Das erfordert ein neues „Mindset“ bei allen Beteiligten. Dieses bildet das dritte Kernelement einer Agilen Organisation. Selbstständigkeit, Engagement, Freude an der Zusammenarbeit sowie Sach- und Lösungsorientierung heißen die Schlagworte. Einleuchtend, aber der schwierigste Teil auf dem Weg zu einer Agilen Organisation. Wer gibt schon gerne Privilegien und Statussymbole auf, die Teilnahme an Führungskreisen oder das Mitspracherecht beim strategischen Jahresplan? Und wer übernimmt schon gern Verantwortung für Themen, die bislang bequem „nach oben“ delegiert wurden?
Eine Agile Organisation ist für lieb gewonnene, aber letztlich hinderliche Routinen und Privilegien eine Bedrohung. Eine Befreiung ist sie aber für alle, die nach Erfüllung in ihrer Arbeit suchen, die ihre Zeit nicht in öden Meetings und langen Abstimmungsprozessen vergeuden wollen. Sinnstiftung ist das vierte Kernelement der Agilen Organisation.
Agil, aber vorsichtig
Strebt man Agilität in Zusammenarbeit, Organisationsstruktur und strategischer Ausrichtung an, gibt es drei Wege. Beim Modell „Tüftlergarage“ toben sich in einem „Innovationslabor“ oder „Digi Lab“ digitale Pioniere aus; sie tüfteln an neuen Produkten und Diensten der Sparkasse. Spannend zum Warmlaufen, aber auf Dauer zu exklusiv. Beim Modell „Innere Spaltung“ wird ein zumeist IT-naher Teil vom traditionell arbeitenden Teil getrennt. Die Hoffnung: der agile Teil wächst mit der Zeit und der andere schrumpft durch Automatisierung und Digitalisierung. Leider kann das zu Grabenkämpfen zwischen „agiler Zukunftsbank“ und „hierarchischer Abwicklungsbank“ führen. Das kann nicht Ziel sein.
Unsere Empfehlung ist der dritte Weg: „Agil – aber vorsichtig“. Statt überfallartig die ganze Organisation auf den Kopf zu stellen, kommen Veränderungen schrittweise, sie werden erprobt und angepasst. Ein Lernprozess. Alle Mitarbeiter sind mitverantwortlich, den Erfolg zu ermöglichen und Probleme frühzeitig zu benennen.