Dem „Beyond Banking“ fehlen die Business Cases

Teaser_Image_Krämer_Sven

Was kommt nach dem Banking klassischen Stils?

Angesichts eines Niedrigzinsumfeldes, verschärften Wettbewerbs und der digitalen Transformation wurde diese Frage in den vergangenen Jahren vermehrt gestellt – Schlagworte „Beyond Banking“ und „Plattformökonomie“. Die Strategie- und Managementberatung zeb hat nun bei 159 europäischen Instituten untersucht, auf welchem Stand der Digitalisierung sich die Bankenbranche befindet: Digital Pulse Check 4.0.

„Es ist ernüchternd“, resümiert zeb-Partner Sven Krämer. „Die Business Cases für Plattformökonomie sind oftmals nicht existent.“ 60 Prozent der Teilnehmer geben unklare Business Cases als größte Herausforderung bei der Realisierung von neuen Geschäftsmodellen an. Seine These lautet: „Das erklärt vermutlich, warum viele der Beyond Banking-Ansätze am Markt nicht den gewünschten Erfolg bringen. Ohne Business Case wird das Potential von Beyond Banking offensichtlich überschätzt.

„Diese Unsicherheit lässt sich auch bei den Teilnehmern der Studie beobachten: 45 Prozent der Banken sehen die Gefahr von unrealistischen Potenzialerwartungen. „Ein zentraler Erfolgsfaktor von digitalen Geschäftsmodellen ist die schnellstmögliche Skalierung, um Marktanteile von über 50 Prozent zu erreichen”, führt Sven Krämer aus, „Skalierung erfordert oftmals hohe Investitionen in den ersten drei bis fünf Jahren und erst danach lassen sich Gewinne erwirtschaften.” Ohne einen validen Business Case entstehen falsche Erwartungen hinsichtlich notwendiger Investitionen und der Zeiträume bis zum Break-Even.   

Dennoch gaben zwei Drittel der Befragten an, ihr Geschäftsmodell bis zum Jahr 2023 über digitale Ökosysteme, insbesondere Multikanal-Finanzplattformen (60 Prozent) erweitern zu wollen. Neben den Potentialen und den finanziellen Möglichkeiten fehle aber oftmals auch das geeignete Personal. Nur etwa ein Drittel der Befragten bescheinigte seinen Führungskräften, als Digital Leader gelten zu können. Bei lediglich 11 Prozent treiben alle Führungskräfte gemeinsam die digitale Transformation voran und übernehmen eine Vorbildfunktion. Und noch nicht einmal die Hälfte der Banken (43 Prozent) haben ihre Stellenprofile inzwischen um digitale Kompetenzen erweitert. 

„Digitale Geschäftsmodelle lassen sich durchaus erfolgreich implementieren, wenn der Business Case valide abgeleitet wurde und ein entsprechendes Team für die Realisierung bereitsteht”, so Sven Krämer. Für Banken, die kurzfristig die Kosten reduzieren und schneller in den Prozesse werden müssen, empfiehlt Krämer den Instituten erst einmal die naheliegenden Schritte in Angriff zu nehmen: „Es sind bei weitem noch nicht alle Effizienzgewinne durch die Digitalisierung gehoben worden und auch das Potential durch Datenanalyse ist mitnichten ausgeschöpft.“ Um dies umzusetzen, rechnet der zeb-Partner mit einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren.

Während beim Privatkundengeschäft die Digitalisierung schon weit vorangeschritten sei, liege sie bei den Unternehmenskunden noch weit zurück. Aktuell ist ein Geschäftsgirokonto nur bei 17 Prozent der Banken vollständig online abschlussfähig. Bei gewerblichen Kleinstkunden seien die Prozesse derzeit noch wenig rentabel. „Hier brauchen vor allem Volksbanken und Sparkassen kostengünstige digitale Services, die wiederum auch den Unternehmen helfen würden“, fordert Krämer. 

Auch bei mittleren und großen Kunden sieht er noch Möglichkeiten. Zwar ist der rechtliche Rahmen für e-Bilanzen mittlerweile gegeben. Flächendeckend sei dies aber nicht umgesetzt. Somit würden Kreditvergaben unnötig verkompliziert und teuer. „In der Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts sehen wir einen Stau.“

Im Bereich der Data Analytics registrierten die zeb-Berater oft keine bankübergreifende valide Bewertung der Umsetzungs-Ideen. „Die Potentiale von Data Analytics ließen sich nur durchholen, wenn alle Use Cases strukturiert bewertet werden. Neben obligatorischen Kosten-Nutzenanalysen seien Faktoren wie die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Daten, der Reifegrad der Organisation, der Integrationsgrad und andere Faktoren notwendig“, beschreibt der zeb-Berater die Situation. (Mehr dazu lesen Sie hier.) 

„Bei unserem mittlerweile vierten Digital Pulse Check haben wir einen neuen Ansatz gewählt“, erläutert Sven Krämer. Und zwar haben er und sein Studien-Partner Dr. André Ehlerding zehn Thesen formuliert (s. u.). Diese wurden in Interviews mit 159 Banken aus der DACH-Region, Luxemburg, Polen, Russland und Schweden verprobt. Die Ergebnisse sind in eine Datenbank eingeflossen und die Daten sind dynamisch miteinander verknüpf- und über den Digital Services Hub abrufbar.

Der Digital Services Hub

Es gibt das Bonmot: Hast Du Charts … oder etwas zu sagen? Sven Krämer, Partner bei zeb, macht jetzt ernst: „Wir haben mit dem Digital Pulse Check eine große Studie komplett auf einer digitalen Plattform publiziert, dem Digital Services Hub.“ Alle Ansichten werden in Echtzeit aus der dahinter liegenden Cloudplattform  generiert. Die Daten der eigenen Bank zum Stand der Digitalisierung können von den Teilnehmern direkt mit denen aus anderen Ländern oder zwischen Segmenten, Großbank mit Regionalbank, Sparkassen mit Volksbanken etc. verglichen werden…  alles dynamisch ohne statische Charts.

„Der Nutzen für den Teilnehmer liegt auf der Hand“, so Krämer. „Er bekommt nicht eine Story von der Stange, die wir so auch anderen Kunden präsentieren, sondern erhält eine maßgeschneiderte Konfektion.” Interessierte erhalten in einem ersten Schritt den Zugriff auf einer aggregierten Version. Nach der Registrierung steht für alle User eine detaillierte Version zur Verfügung – allerdings ohne Filtermöglichkeiten. Teilnehmer der Studie haben dann Zugriff auf die Filter und können die eigenen Ergebnisse mit den anonymisierten Benchmarks vergleichen. Natürlich sind alle Informationen anonymisiert, so dass keine Rückschlüsse auf einzelne Institute möglich ist. 

Nicht nur für die Kunden bedeutet das einen Wechsel, sondern auch für die zeb-Berater. „Es ist schon erheblich anders, nur mit einem Chartsatz zum Kunden zu gehen oder große Teile live und online mit dem Kunden zu besprechen. Das bedeutet auch viel mehr Dialog und Interaktion mit dem Kunden. Aber genau das wollen wir erreichen“, so Krämer. Er räumt ein, dass es sich bei dem Format um „einen Versuchsballon handelt“, ist aber zuversichtlich, dass das dieses  ein neuer, innovativer Standard wird.

Ein weiterer Vorteil durch den datengetriebenen Ansatz: Zwischen Datenerhebung und Publizierung der Studien liegt deutlich weniger Zeit. In Fall des „Digital Pulse Check 4.0“ brauchte es nur dreieinhalb Wochen bis die Studie fertig geschrieben war und damit im Vergleich weniger als die Hälfte der Zeit.

Der „Digital Pulse Check 4.0“ umfasst Daten zu:

  • 159 Teilnehmern
  • 42 Prozent aus Deutschland
  • 31 Prozent aus der Schweiz sowie Liechtenstein. 
  • 15 Prozent Russland
  • 9 Prozent aus Österreich
  • 67 Prozent der Teilnehmenden stammen aus Kantonalbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und sonstigen Regionalbanken. 
  • 69 Prozent der Angaben stammen von Vorständen und Bereichsleitungen.


Die zehn Thesen des Digital Pulse Check 4.0

eins
Banken setzen auf eine ambitionierte digitale Transformation, bremsen sich aber teilweise selbst aus, denn es mangelt an Umsetzungsgeschwindigkeit und Fokussierung.
zwei
Selbst bei den Top-25-Prozent der am stärksten digitalisierten Banken sind Wachstums- und Effizienzgewinne nicht in der GuV ablesbar.
drei
COVID-19 hat den Grad der Onlineverfügbarkeit von Finanzprodukten hochschnellen lassen, was den Digitalisierungsdruck der Banken weiter steigen lässt.
vier
Zwei Drittel der Banken wollen ihr Geschäftsmodell bis 2023 über digitale Ökosysteme erweitern, bleiben aber zunächst bei reinen Finanzprodukten; denn um Beyond-Banking-Potenziale heben zu können, mangelt es noch an klaren Business-Cases und den nötigen Skills.
fünf
Privatkunden profitieren bereits von der Möglichkeit, viele Standardprodukte online abschließen zu können – nur wer eine Immobilie finanzieren will, muss dies meist noch analog tun.
sechs
Das Firmenkundengeschäft liegt beim Thema Digitalisierung noch weit hinter dem Privatkundenbereich, denn noch mangelt es an einem digitalen Produktangebot; zudem liegt im Bereich Prozessautomatisierung noch ungenutztes Potenzial.
sieben
Banken könnten viel stärker von Data Analytics profitieren, wenn sie nicht nur Kundendaten auswerteten, sondern den Fokus auch auf die Optimierung betrieblicher Prozesse legten.
acht
Die digitale Transformation stellt hohe Anforderungen an die IT der Banken, die ihre ambitionierten Strategien und Services oft nicht so schnell umsetzen können, wie es erforderlich wäre.
neun
Banken beziehen ihre Führungskräfte und Mitarbeitenden noch nicht ausreichend in den digitalen Transformationsprozess ein und vernachlässigen damit einen zentralen Erfolgsfaktor.
zehn
Banken, die agile Arbeitsmethoden erfolgreich eingeführt haben, sind in den Prozessen besser aufgestellt.

Sprechen Sie uns gerne an