„Wir haben die klassische Führungskraft abgeschafft“

Interview mit Birgit Mentzen, Leiterin der zeb-Personalentwicklung

Bei zeb zeigt sich Innovation auch in der HR-Abteilung: Ein Consultant untersteht keiner personalverantwortlichen Person, sondern tauscht sich mit einem internen Karrierecoach aus. Das sind erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die als sogenannte Career Development Counselor (CDC) stets mit Rat und Tat, aber auch Manöverkritik zur Verfügung stehen. Es folgen vier Fragen über Mentoring, Mentors und Mentees an Birgit Mentzen, die den Kulturwandel mit initiierte.

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Frau Mentzen, bei zeb gibt es den klassischen  Personalverantwortlichen nicht mehr – wie kam es dazu?

BIRGIT MENTZEN: Wir haben 2014 für den Consultingbereich die klassische Führungskraft abgeschafft und dafür den Career Development Counselor (CDC) eingeführt. Die traditionelle Hierarchie wurde durch eine Netzwerkstruktur ersetzt. Personalführung und -entwicklung sollten nicht mehr an einer einzelnen Person hängen. Sie sind ein Bündel von Funktionen, die an verschiedene Rollen im Unternehmen gebunden sind. Ein CDC ist kein „Chef“, sondern eine erfahrene Kollegin oder ein erfahrener Kollege, die den weniger erfahrenen Mitarbeitenden als Coach und Mentor zur Seite stehen. Ein CDC begleitet wohlwollend die Karriere seines Schützlings, ist Förderer und Fordernder, ein Mentor, der das Unternehmen gut kennt und seinen Mentee immer wieder gut vernetzen und platzieren kann. 
 
Wie finden Mentor und Mentee zueinander, wer verantwortet das?
Bei Eintritt ins Unternehmen helfen wir mit einer Erstzuordnung. Wir haben die Bewerberinnen und Bewerber im Gespräch kennengelernt und eine Idee entwickelt, welches Matching passt. Später machen das beide untereinander aus. Denn man kann jederzeit seinen CDC wechseln. Mithilfe einer gezielten Schulung können interessierte Managerinnen und Manager sich für die Aufgabe des CDCs qualifizieren. Allerdings darf jeder CDC nicht mehr als fünf Mentees haben, denn die Aufgabe erfordert Zeit und wird parallel zur täglichen Arbeit ausgeführt. Derzeit haben wir 261 aktive CDCs, von denen 61 „ausgebucht“ sind; die anderen haben einen bis drei Mentees. Die bloße Anzahl ist aber nicht unbedingt ein Indikator für Betreuungsqualität, denn manche Konstellationen haben sehr spezielle Themenschwerpunkte oder einen besonderen Betreuungsaufwand. 
 
Wie geht ein CDC mit seinem Mentee um? Wie oft sprechen die beiden?
Das kommt natürlich auf den Mentor an, aber eben auch auf den Mentee: Neue Kolleginnen und Kollegen brauchen meistens mehr Betreuung als erfahrene, die vielleicht nur ein paar Mal im Jahr mit ihrem CDC sprechen. Apropos sprechen – viele Kontakte finden wegen der teilweise recht hohen Reisetätigkeit der Consultants und der verschiedenen Standorte digital statt. Aber ich kenne auch CDCs, die ihre Mentees dazu privat zum Grillen nach Hause einladen, da entstehen durchaus freundschaftliche Beziehungen. Es gibt eben sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Rollenbilder in den jeweiligen Paarungen.

Und irgendwann entscheidet ein Mentor über die Beförderung seiner Mentees?
Nein, die Aufgabe haben wir bei der Abschaffung der klassischen Führungskraft an neutrale Evaluatoren und objektive Beurteilungskomitees ausgelagert. Die Evaluatoren sind Senior Manager oder Partnerinnen und Partner, die sich für die Leistungsbewertung eines zur Beförderung vorgesehenen Mitarbeitenden ein umfassendes Bild verschaffen. Sie informieren sich bei den Kolleginnen und Kollegen, befragen Projektleitende oder andere Mitarbeitende und prüfen Projektbeurteilungen aus dem vergangenen Jahr. Die finale Bewertung wird dann mit dem CDC besprochen, um darauf aufbauend Ziele und Maßnahmen für die Zukunft zu definieren: Wo kann ich besser werden? Was ist mein nächster Karriereschritt? Ein CDC ist aber auch für Profanes wie Urlaubsanträge und Technikbestellungen zuständig – wir setzen voraus, dass der Mentee das mit dem aktuell zuständigen Projektleitenden abgesprochen hat.