Mit einem weiteren zeb.Finanzmarkt Round Table konnte zeb die Reihe von Veranstaltungen fortsetzen, bei denen namhafte Funktionsträger aus Politik und Finanzwirtschaft mit einem kleinen, ausgewählten Kreis von Bank- und Versicherungsvorständen zu tagesaktuellen Fragestellungen diskutieren. Prof. Dr. Joachim Wuermeling, seit Herbst 2016 Mitglied im obersten Gremium der Deutschen Bundesbank und zuständig für die Finanzaufsicht, die Informationstechnologie und das Risiko-Controlling, setzte sich in seinem Vortrag mit den Herausforderungen und Chancen des Finanzplatzes Deutschland auseinander. Die Virus-Krise wird nach dessen Einschätzung in Deutschland nicht in eine Bankenkrise münden. Die vorgenommenen Schätzungen für Kreditausfälle könnten aufrechterhalten werden, sagte Prof. Wuermeling auf der virtuellen zeb-Konferenz. „Das müsste in Deutschland alles verkraftbar sein, so dass ich nicht davon ausgehe, dass die Krise in eine Bankenkrise umschlägt“, so der Bundesbankvorstand. Man dürfe allerdings den Blick nicht nur auf Deutschland richten. „Wir sind integraler Bestandteil des Euro-Raums.“ Dort sehe es zum Teil ganz anders aus. Prof. Wuermeling verwies darauf, dass beispielsweise in Spanien das Bruttoinlandsprodukt um elf Prozent gesunken sei. „Und wenn ich mir einige Banken in Südeuropa anschaue, dann haben diese eine Exponiertheit des Kreditportfolios von bis zu 50 Prozent.“ Es gebe Moratorien oder gestundete Kredite, kurzum, es sehe nicht überall gleichermaßen gut oder zufriedenstellend aus.
Für den Bankenstandort Frankfurt sieht Prof. Wuermeling große Chancen. Der Ausstieg Großbrittaniens aus der Europäischen Union führe zu großen Veränderungen in der Finanzbranche. Londoner Finanzinstitute hätten bereits bis Ende 2020 Geschäfte mit einem Volumen von 675 Milliarden Euro aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland verlagert. „Und diese Zahlen können sich schnell vervielfachen“, so Prof. Wuermeling. Welcher Finanzplatz davon am Stärksten profitieren werde, ist aus seiner Sicht noch offen. Aber „Frankfurt hat das Potenzial, der Ankerfinanzplatz in der EU zu werden.“
Ein weiterer, wichtiger Punkt in der Diskussion mit dem Bundesbankvorstand betraf den hohen Aufwand, den insbesondere kleinere Geldhäuser mit den umfangreichen Datenabfragen der europäischen Aufsichtsbehörden zu leisten haben. Hier müsse – so unisono die klare Meinung der Teilnehmer – der Aufwand für Berichtspflichten kleinerer Geldhäuser deutlich reduziert werden. Prof. Wuermeling versprach in diesem Kontext Unterstützung, da die Entlastung von solchen Berichtspflichten gerade auch für die deutsche Finanzbranche sehr relevant sei. In Deutschland gebe es alleine wegen der zahlreichen Sparkassen und Genossenschaftsbanken noch immer sehr viele kleine, unabhängige Institute, die alle eigenständige Meldungen an die Aufseher abgeben. Prof. Wuermeling betonte, dass die EU-Bankenaufsicht Eba jüngst Vorschläge unterbreitet habe, Abfragen mit nationalen Aufsichtsbehörden besser zu koordinieren. Außerdem habe sich die Behörde vorgenommen, Datenabfragen langfristiger zu planen und seltener zu ändern, was gleichzeitig mehr Zeit für Banken bereitstelle, ihre IT entsprechend umzustellen. Prof. Wuermeling sprach sich in diesem Kontext auch dafür aus, dass die Branche ihre Prozesse digitalisiere und auf Lösungen und Angebote von Finanztechnologieunternehmen setze, die sich auf Regulierungsdienstleistungen spezialisiert hätten.