zeb.Privatkundenstudie 2020

zeb, Berater der europäischen Finanzindustrie für Strategie- und Managementfragen, hat im Herbst 2020 zum 20. Mal den wirtschaftlichen Zustand und die Entwicklungen im deutschen Privatkundengeschäft analysiert und daraus Implikationen für die Branche abgeleitet. Danach sanken die Retailbanking-Ertragspotenziale mit deutschen Privatkunden im Jahr 2019 auf 49,3 Mrd. Euro (-2 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und werden im Jahr 2020 weiter auf voraussichtlich ca. 47 Mrd. Euro sinken. Dies entspricht einem Rückgang von 4,9 Prozent im Vorjahresvergleich und liegt rund 16 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2010. Damit wirkt sich die Coronapandemie deutlich auf die Ertragssituation aus. Zu erkennen sind vor allem kurzfristige Rückschläge in der Konsumentenfinanzierung sowie ein durch die Kapitalmarktschwankungen im Frühjahr ausgelöstes Zwischenhoch im Anlagegeschäft, im Speziellen getrieben durch gestiegene Wertpapierumsätze.

Die Erträge aus dem Einlagengeschäft haben sich aufgrund des durch die Null- bzw. Negativzinsphase induzierten Margendrucks gegenüber 2010 mittlerweile fast aufgelöst. Gegenläufig und damit positiv entwickelten sich die Erträge im Kreditgeschäft. Hier erwirtschaften die Banken mit Privatkunden heute mit 22,6 Mrd. Euro nahezu die Hälfte des Gesamtertrags und etwa 28 Prozent mehr als zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts.

Bedrohung im Daily Banking durch digitale Angebote

Im Kreditgeschäft enthalten ist das private Konsumkreditgeschäft (inklusive Dispo), das gegenüber 2010 um 14 Prozent gestiegen ist und heute mehr als 25 Prozent der Privatkundengeschäftserträge ausmacht. Dennoch adressieren viele klassische Marktteilnehmer dieses Geschäftsfeld nicht in dem Maße wie andere Geschäftszweige. Sie halten noch den strategisch wichtigen Kundenzugang im Daily Banking, der durch digitale Kundenlösungen und PSD2 von neuen Wettbewerberkategorien zunehmend ins Visier genommen wird. Da derzeit mehr als die Hälfte des Privatkreditgeschäfts über klassische Vertriebskanäle jenseits von POS oder Onlinemarktplätzen abgesetzt wird, ist der Zugang zum Kunden aus dem täglichen Banking eine gute Plattform zum Ausbau des Konsumkreditgeschäfts, sowohl beim originären Neugeschäft als auch in der Umschuldung.

Insbesondere etablierte Wettbewerber profitieren von der positiven Entwicklung bei den Girokontoerträgen. Hier verdienen Banken zurzeit ca. 7 Mrd. Euro und damit rund 2 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2010. Dabei hat insbesondere der Marktdruck durch Angebote von Konten ohne Monatsgrundgebühr seitens etablierter Wettbewerber nachgelassen. Diese vermeintlich komfortable Situation im Daily Banking darf nicht über die Bedrohung hinwegtäuschen, die von der Schnelligkeit der Entwicklung digitaler Angebote ausgeht. „Der Zugang zum Kunden geht nicht mehr allein vom Girokonto aus und ist von strategischer Bedeutung gerade für etablierte Player – ihn zu verlieren, wäre im Retailbanking existenzbedrohend. Der Wettbewerb um den Kundenzugang kommt in den nächsten Jahren in die entscheidende Phase“, stellt Ulrich Hoyer, zeb-Partner, fest.

Baufinanzierung als Treiber

Zentraler Bestandteil in der Vermögensplanung und -bildung privater Haushalte ist die eigene Immobilie und damit die Baufinanzierung, deren Ertragspotenzial in den vergangenen fünf Jahren um über 25 Prozent angewachsen ist. In einem Markt, der generell durch steigende Immobilienpreise gekennzeichnet ist, gelang es den Banken, ihre Neugeschäftsmargen wieder auszuweiten und damit gegenläufige Entwicklungen wie z. B. steigende Anteile an Eigenkapital zu kompensieren. Absehbare Veränderungen in der Kanalnutzung, steigende Kundenanforderungen und deutliche Effizienzsteigerungen führen jedoch auch in diesem Geschäftszweig zu erhöhtem Konkurrenzdruck und lassen nicht unerhebliche Verschiebungen bei der Erschließung der aktuell ca. 9 Mrd. Euro Potenzialerträge erwarten.

Ergebnis mit Privatkunden in Deutschland sinkt weiter

Die dargestellte Stagnation der Ertragsbasis resultierte 2019 in einer „schwarzen Null“ als Branchenergebnis gegenüber noch ca. 2 Mrd. Euro im Jahr 2018 und wird Corona-bedingt in diesem Jahr erstmals zu einem Branchenverlust von voraussichtlich fast 3 Mrd. Euro führen. Die Stagnation der Gesamterträge in den kommenden Jahren bei rund 47 Mrd. Euro, die durch den Geschäftsmix im Privatkundengeschäft mit den negativen Margen im Einlagengeschäft getrieben ist, begleitet von einer tendenziell leichten Normalisierung der Risikokosten und ohne weitere Verbesserungen der Kostenbasis, resultiert in einem Fünfjahresszenario in substanziellen Verlusten: Ohne wirksame Gegenmaßnahmen dürfte das Ergebnis im deutschen Privatkundengeschäft in den nächsten fünf Jahren auf dann ca. -5  bis -7 Mrd. Euro sinken.

Vereinzelte Lichtblicke

In diesem Marktumfeld müssen Banken neben den notwendigen Kostenprogrammen ihre geschäftlichen Anstrengungen in wachsenden Geschäftsfelder intensivieren und sich auf einen weiter verschärften Wettbewerb einstellen. „Wir sehen zunehmend das Bedürfnis nach differenzierten Programmen, welche die Chancen der Digitalisierung aufgreifen und sowohl Effizienzverbesserungen als auch ertragssteigernde neue Vertriebschancen adressieren.“, so Dr. Marc Buermeyer, zeb-Partner und Leiter der Retailbanking-Praxisgruppe.

Ein Beispiel, das sowohl auf Ertrags- als auch auf Kostenhebel einzahlt, ist Banking über das Smartphone. Es ist zu erwarten, dass sich Mobile Banking zum primären Kundenkontaktpunkt weiterentwickeln und damit auch perspektivisch zu einem noch bedeutenderen Vertriebskanal im Retailbanking werden wird. Allerdings lassen sich Ertragspotenziale nur mit überzeugenden mobilen Lösungen heben, deren einfache und bequeme Anwendungsmöglichkeiten überzeugen und die künftig weitere Mehrwertangebote enthalten. Die stärkere Ausrichtung auf Kundenbedarfe eröffnet zudem Geschäftsopportunitäten in Ökosystemen, die über klassische Bankprodukte hinausgehen – allerdings in der Regel von erheblichen Veränderungen im Geschäftsmodell und substanziellen Technologieinvestitionen abhängen. Währenddessen erlaubt eine konsequente Verlagerung von Kundenservice-Interaktionen und deren zumindest teilweise Automatisierung deutliche Kosteneinsparungen in der traditionellen Vertriebsinfrastruktur. Wenn es gut gemacht wird, dann ohne Verlust der Kundennähe.

Darüber hinaus wird das konsequente Aufgreifen des Megatrends Nachhaltigkeit auch im Retailbanking Möglichkeiten für Ertragssteigerungen eröffnen. Die erhöhte Affinität der Bevölkerung für Nachhaltigkeit schlägt sich nicht nur im Alltag, sondern auch bei den Finanzen nieder und führt sowohl zu einer verstärkten Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Services als auch zu einer erhöhten Preisbereitschaft hierfür. Mittelfristig sind hier zusätzliche Ertragsmöglichkeiten von ca. 1,6 Mrd. Euro im Privatkundengeschäft zu erwarten.

Deutliche Veränderungsdynamik

Durch die Coronakrise ist die letzte Illusion verflogen, die Niedrigzinsphase ohne fundamentale Kurskorrekturen abwenden zu können. Gleichzeitig sind Veränderungsverständnis und -bereitschaft auf Kundenseite gegenüber neuen digitalen Kundeninteraktionswegen deutlich gestiegen. Das Resultat ist eine breit angewachsene Dynamik in der Anpassung der Privatkundengeschäftsmodelle. Banken müssen den Marktdruck konsequent bewältigen und die Transformation in digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle beschleunigen.

 

Über zeb

Als führende Strategie- und Managementberatung bietet zeb seit 1992 Transformationskompetenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich Financial Services in Europa. In Deutschland unterhalten wir Büros in Frankfurt, Berlin, Hamburg, München und Münster (Hauptsitz). Internationale Standorte befinden sich in Amsterdam, Kiew, Kopenhagen, London, Luxemburg, Mailand, Oslo, Stockholm, Warschau, Wien und Zürich. Zu unseren Kunden zählen neben europäischen Groß- und Privatbanken auch Regionalbanken und Versicherungen sowie Finanzintermediäre aller Art. Bereits mehrfach wurde unser Unternehmen in Branchenrankings als „Bester Berater“ der Finanzbranche klassifiziert und ausgezeichnet.

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