Europas Banken halten COVID-19-Pandemie stand

Die weltweite COVID-19-Pandemie und damit verbundene negative konjunkturelle Auswirkungen halten Europas Banken nach wie vor fest im Griff. So sind die Risikokosten vieler Institute im Laufe des ersten und zweiten Quartals dieses Jahres deutlich gestiegen, mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Profitabilität. Zudem ist absehbar, dass die Kapitalquoten der 50 größten Banken Europas angesichts von erwartbaren Ratingverschlechterungen bei ihren Kunden sowie der Zunahme von notleidenden Krediten sinken dürften. Dabei werden ausgewählte Institute aufgrund ihrer spezifischen Branchenstruktur im Kreditportfolio und ihrer regionalen Präsenz stark von der aktuellen Krise betroffen sein. Dennoch ist aus jetziger Sicht insgesamt damit zu rechnen, dass europäische Banken die Herausforderungen der COVID-19-Krise weitgehend überwinden werden und es nicht zu einer strukturellen Bankenkrise wie in 2008/09 kommen wird.

Dies sind zentrale Ergebnisse der neuen Ausgabe der European Banking Study (EBS) von zeb. Die Strategie- und Managementberatung hat die Abschlüsse von Europas 50 größten Banken zum Ende des zweiten Quartals nochmals detailliert untersucht und sich diesmal auf die Kapitalausstattung der Institute fokussiert sowie entsprechende Simulationsszenarien berechnet. Die erste Ausgabe der EBS 2020 im Juni hatte sich schwerpunktmäßig mit der Profitabilität und insbesondere den Wertberichtigungen im Kreditbereich von Europas Topbanken befasst.

Akzeptable Kernkapitalquote im ersten Halbjahr 2020

Im Detail zeigt die aktualisierte EBS die gravierenden Folgen von COVID-19 für die Finanzindustrie. So fiel die durchschnittliche Kernkapitalquote (CET1) der 50 größten europäischen Banken im ersten Quartal 2020 zunächst auf 14 % (2019: 14,4 %). Hauptreiber waren der Anstieg der Neukredite, die Nutzung von Kreditlinien durch Kunden sowie teils negative Ergebnisse infolge höherer Risikokosten im Kreditgeschäft. Dieser Effekt wurde im zweiten Quartal 2020 vollständig umgekehrt, vor allem aufgrund niedrigerer risikogewichteter Aktiva (RWA) und der Aussetzung von Dividendenzahlungen.

Dr. Ekkehardt Bauer, Senior Manager und Mitautor der zeb-Studie, ergänzt: „Insgesamt liegt die Kapitalausstattung der Banken mit 14,4 % am Ende des zweiten Quartals weit über den regulatorischen Quoten und den Anforderungen des Markts. Darüber hinaus haben die Aufsichtsbehörden den Banken durch die Lockerung der Kapitalanforderungen als Reaktion auf die Krise weiteren Spielraum verschafft. Hier zeigen sich Europas Finanzinstitute solide.“

Profitabilität im ersten Halbjahr sinkt

Beim Blick auf die Profitabilität von Europas Topinstituten ergibt sich ein anderes Bild. Nachdem die durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern im Jahr 2019 noch bei 6,4 % lag, gingen die Ergebnisse im bisherigen Verlauf des Jahres 2020 – hauptsächlich getrieben durch höhere Risikokosten – deutlich zurück. Im ersten Quartal erreichten die Institute noch eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von 2,2 %, im zweiten Quartal war diese mit -0,3 % sogar negativ. Die Risikokosten liegen bereits Ende des zweiten Quartals 2020 insgesamt über dem Wert für das Gesamtjahr 2019.

Christian Schiele, zeb-Partner und Mitautor der Studie, erläutert: „Bei individueller Betrachtung der Banken ergibt sich ein differenzierteres Bild. Tatsächlich weisen mehrere Institute eine durchaus solide Kapitalausstattung und Profitabilität auf. Andere dagegen kämpfen mit schwerwiegenden Konsequenzen. Ihre Gewinnpolster zur Abfederung der Pandemiefolgen haben bereits jetzt ein sehr niedriges Niveau erreicht.“

Kapitalausstattung bleibt auch zukünftig ausreichend

Verschiedene Simulationsszenarien im Rahmen der aktualisierten European Banking Study von zeb zeigen, dass die zu erwartenden Verluste (Expected Losses) und risikogewichteten Aktiva (RWA) in den kommenden Jahren signifikant zunehmen dürften. Trotz des daraus resultierenden Rückgangs der Kapitalquoten wird die durchschnittliche Kernkapitalquote (CET1) der 50 größten Banken in Europa allerdings auf einem Niveau oberhalb der regulatorischen Mindestanforderungen bleiben. Im wahrscheinlichen Szenario werden acht der größten 50 Institute gezwungen sein, die 2020 von den Aufsichtsbehörden freigegebenen Kapitalpuffer zu nutzen. Im schweren Szenario erhöht sich diese Zahl auf 18 Banken.

Dr. Dirk Holländer, Senior Partner von zeb und Mitautor der Studie, fügt hinzu: „Unsere aktuelle Analyse zeigt, dass die Auswirkungen von COVID-19 und die resultierende schwächere Konjunktur nicht zu einer allgemeinen Finanzkrise über den gesamten Bankensektor hinweg führen dürften.“

Bankportfolio bestimmt Anfälligkeit für COVID-19-Krise

Die aktualisierte EBS ergab zudem, dass es mit Blick auf die Auswirkungen in der Krise keine eindeutigen Muster in Bezug auf bestimmte Geschäftsmodelle oder Länder bzw. regionale Risiken gibt. Zwar sind einzelne Institute systematisch besser aufgestellt, individuell gravierende Auswirkungen zeigen sich jedoch insbesondere bei Instituten mit einem hohen Anteil von in der Krise stark betroffenen Branchen. Vorrangig spezifische Eigenschaften wie etwa die Größe und die Struktur der Portfolios bestimmen damit die individuellen Auswirkungen von COVID-19. Aus Sicht der Studienautoren sind daher individuelle Auswertungen und Maßnahmen auf Einzelbankebene anstelle eines „Gießkannenprinzips“ über bestimmte Geschäftsmodelle oder Länder hinweg unerlässlich. Dazu gehören insbesondere die Restrukturierung, Redimensionierung und Neuausrichtung von Kreditportfolios.

Dr. Dirk Holländer resümiert abschließend: „Der europäische Bankensektor hat sich in der COVID-19-Krise bisher im Durchschnitt behaupten können. Dennoch bleibt große Wachsamkeit geboten. Das enge Zusammenspiel von Aufsichtsbehörden, Regierungen und Banken muss fortgesetzt werden. Nur so können mögliche künftige Liquiditätsengpässe vermieden und die Kreditvergabefähigkeit der Banken gewährleistet werden. Dies ist aktuell und bei einem Anspringen der Konjunktur zur Versorgung der Realwirtschaft mit entsprechenden Investitionskrediten unerlässlich, wenn der ursprüngliche ökonomische Potenzialpfad wieder erreicht werden soll.“

Weitere Informationen zur aktuellen zeb-Untersuchung sind hier abrufbar. 

Über zeb

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