Herr Sünderbruch, die Weser-Elbe Sparkasse befindet sich mitten in einem umfassenden Transformationsprozess. Was war für Sie der Auslöser, diesen Weg zu gehen?
Wir haben früh erkannt, dass wir mit den etablierten Methoden keine ausreichenden Lösungen mehr für die sich stark verändernden Anforderungen unserer Kundinnen und Kunden finden können. Das betrifft nicht nur digitale Zugangswege und Services, sondern auch die Erwartungen an persönliche Nähe, Kundenorientierung und Verlässlichkeit. Die zentrale Frage war: Wie bleiben wir relevant und wirksam? Die Antwort lag für uns in einer Neuausrichtung, die nicht nur Prozesse und Strukturen betrifft, sondern ganz wesentlich auch die Haltung.
Sie sprechen von „agiler Transformation“. Was bedeutet das für eine Sparkasse konkret?
Agilität ist für uns kein Selbstzweck. Es geht darum, schneller, flexibler und kundenorientierter zu arbeiten. Wir haben agile Routinen eingeführt, Teams befähigt, Entscheidungen eigenständig zu treffen, und Führung neu gedacht – als Ermöglichung statt Kontrolle. Das erfordert Mut, aber auch Struktur. Deshalb begleiten wir diesen Wandel mit gezielten Coachings und Formaten durch unsere Agile Coaches.
Ein zentrales Thema ist die zukunftsgerichtete Aufstellung der Vertriebsstruktur. Wie sieht Ihr neuer Ansatz aus?
Wird eine Sparkasse vor Ort von den Kundinnen und Kunden nicht mehr als relevant wahrgenommen, bleibt gegenüber digitalen Wettbewerbern kein Unterscheidungsmerkmal – und die Sparkasse verliert an Bedeutung. Deshalb stärken wir gezielt die Leistungsfähigkeit unserer Filialen. Ziel ist, dass die Kundschaft nicht nur die Hauptstelle mit Kompetenz verbindet, sondern das gesamte Leistungsportfolio auch vor Ort in Anspruch nimmt. Ergänzend zum digitalen Angebot sollen sie dort persönliche Beratung und Service auf hohem Niveau erleben.
Der entscheidende Erfolgsfaktor sind unsere Mitarbeitenden. Kernstück der neuen Struktur ist daher das Modell der geteilten Führung: Alle Mitarbeitenden einer Filiale bilden ein Team mit einer gemeinsamen Zielsetzung. Geführt werden sie von einer Führungskraft („personal lead“) im agilen Sinne. Die fachliche Unterstützung leisten die Geschäftsbereichsleitungen („functional lead“) sowie teilweise das Vertriebsmanagement. In der Matrixstruktur stehen die sieben Filialen für die Vertikalen, die Geschäftsbereiche bilden die übergreifenden Horizontalen. Passend zu unserer maritimen Region haben unsere Mitarbeitenden diesen neuen Filialtyp mit dem gesamten Service- und Beratungsspektrum für alle Kundensegmente „Leuchtturmfiliale“ genannt.
Wie gelingt es Ihnen, diese Veränderungen in der Organisation zu verankern?
Veränderung braucht Beteiligung. Wir haben früh Mitarbeitende und Führungskräfte eingebunden und Workshops durchgeführt, um Stimmungen und Ideen aufzunehmen. Uns war wichtig, dass alle verstehen: Das ist kein Projekt von oben, sondern ein gemeinsamer Weg.
Was war für Sie persönlich die größte Herausforderung in den Veränderungsprozessen der letzten Jahre?
Die Balance zwischen Tempo und Tiefe. Veränderung darf nicht überfordern, muss aber spürbar sein. Ich habe gelernt, dass es manchmal besser ist, einen Schritt langsamer zu gehen – dafür aber mehr Menschen mitzunehmen.
Und was hat Sie positiv überrascht?
Die Energie, die entsteht, wenn Menschen merken: „Ich kann etwas bewegen.“ In Workshops und Interviews habe ich oft gespürt, wie viel Potenzial in unseren Teams steckt – wenn wir es freilegen und fördern.
Was möchten Sie anderen Sparkassen mitgeben, die ähnliche Wege gehen wollen?
Haben Sie den Mut, anzufangen – nicht mit dem perfekten Plan, sondern mit einem klaren Zielbild und vor allem Vertrauen in Ihre Mitarbeitenden. Veränderung ist wie ein Segeltörn: Man braucht ein Ziel, einen Kompass, die Bereitschaft, auch mal gegen den Wind zu segeln, und vor allem das Bewusstsein, dass man das Boot nur mit dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der gesamten Crew sicher voranbringen kann.