Foto: Dossier EIS

Zu wenig digitale Revolution

Noch geht es der Versicherungswirtschaft gut. Doch es fehlt an Wachstum, weil die Chancen von Digitalisierung und Data Science nur zaghaft genutzt werden. Wo bleibt die digitale Revolution?

  • Die Versicherer sind profitabel und solvent, aber es fehlt ihnen an Wachstum

  • Die Branche hat die Bedeutung der Digitalisierung erkannt, entwickelt bislang aber kaum innovative Geschäftsmodelle

  • Data Science kann ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein

„Wir durchleben gegenwärtig eine Zeit des Wandels, im Ausmaß ähnlich der industriellen Revolution.“ Dieses Zitat stammt von Giovanni Giuliani, dem Strategie- und Innovationsvorstand der Zurich Insurance Group. Wie auch andere Versicherer hat das Unternehmen erkannt, dass die Digitalisierung die Branche grundlegend verändern wird. Doch bisher, das ist die schlechte Nachricht, entstehen aus dieser Erkenntnis bei den meisten Versicherern keine innovativen Geschäftsansätze – weder im Produktangebot oder in den Prozessen noch in der Technologie. 

Dies ist das Ergebnis unseres Digital Pulse Check Insurance 2019, für den wir mehr als 100 Expertinnen und Experten sowie Führungskräfte aus der Versicherungsbranche und 5.000 Endkunden in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Italien und der Schweiz befragt haben. Zwar gibt es in der Branche durchaus digitale Ansätze und Initiativen. Diese aber fallen meist so zaghaft aus, dass sie von den Kunden gar nicht wahrgenommen werden. Digital getriebene Quantensprünge fehlen fast vollständig.
 

Das Problem der Versicherer lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es fehlt an Wachstum.

Ist das ein Alarmsignal? Auf den ersten Blick geht es den Versicherern nach wie vor gut. Sie erwirtschaften trotz Niedrigzinsen solide Gewinne und konnten diese in den vergangenen Jahren sogar noch etwas steigern. Auch die Eigenkapitalregeln des europäischen Wirtschaftsraums erfüllen sie meist mühelos. Das Problem der Versicherer, das wir in unserer European Insurance Study 2019 identifiziert haben, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es fehlt an Wachstum. Das gilt insbesondere für die Großen. Um gerade einmal 1,2 Prozent konnten die „Top 25“-Versicherungen in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich per annum zulegen. In den meisten europäischen Ländern stagniert die Branche. Das Bild ist also nicht so positiv wie es auf den ersten Blick scheint. Auch unser Insurance Report 2018 hat bereits gezeigt, dass Versicherer vor großen Herausforderungen stehen und altbewährte Geschäftsmodelle überdacht werden müssen.

Um künftig nicht an Bedeutung zu verlieren, haben die Versicherer lediglich eine Möglichkeit: Sie müssen wachsen. Das geht nur, indem sie die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um ihre Produkte besser zu machen, Kunden stärker zu binden und Kosten zu sparen. Für die European Insurance Study 2019 haben wir uns den Bereich „Data Science“ etwas genauer angesehen und dessen Potenzial für mehr Wachstum vermessen. Die Anwendungsfelder sind vielfältig. Nur ein Beispiel: Wenn Algorithmen künftig den Lifetime Value eines Kunden und dessen Wechselwahrscheinlichkeit mit hoher Exaktheit berechnen können, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten der Kundenbindung sowie des Cross- und Up-Sellings.
 

„Noch können Versicherer auch ohne digitales Konzept erfolgreich sein. Zukünftig aber werden digitale Angebote, künstliche Intelligenz und Data Science den Wettbewerb entscheiden.

Dr. Jan Hendrik Sohl, Partner

Ein innovatives Start-Up schlucken? Das ist nicht immer eine gute Idee

Was also ist zu tun? Zu dieser Fragen stehen wir im ständigen Austausch mit der Praxis, etwa auf der DKM, der Leitmesse für die Finanz- und Versicherungsbranche. Eine vermeintlich schnelle und verlockende Lösung ist es, sich digitale Innovationen durch den Kauf von InsureTechs einfach einzuverleiben. Wolfgang Essing, Senior Partner bei zeb und Experte für Versicherungen, beobachtet jedoch, dass das in der Praxis oft schief geht. „Ich erlebe immer wieder, dass Versicherungen sich bei Start-ups einkaufen, nur um dann festzustellen: So richtig passt das ja nicht bei uns rein. Und warum? Weil sie sich vorher nicht mit der simplen Frage beschäftigt haben: Was will unser Kunde?“ Das ganze Interview mit Wolfgang Essing lesen sie hier. 

Es muss also darum gehen, eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, die zum eigenen Profil und den Wünschen der Kunden passt.

Wenn diese dann entschlossen und mutig umgesetzt wird, können Versicherer im besten Fall einen Turbo für mehr Wachstum zünden. Wie das gelingen kann? Sprechen Sie uns gerne an. Wir freuen auf den Austausch mit Ihnen!