Die aktuellen Massenproteste in den Vereinigten Staaten von Amerika, die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie sowie der Präsidentschaftswahlkampf und das transatlantische Verhältnis waren Themen des jüngsten zeb.Finanzmarkt Round Tables, zu dem der langjährige US-Botschafter John Kornblum im Rahmen einer Online-Konferenz Stellung bezog. Vor Vorstandsvorsitzenden von Finanzinstitutionen gab John Kornblum einen ungeschminkten Einblick in die derzeitige Verfasstheit der Vereinigten Staaten. Die Wahlen im November seien in dreierlei Hinsicht ein Referendum – zu Trump, über die Handhabe der Corona-Krise und über die Reform der Sozialsysteme. Die Rassenproblematik sei tief in der amerikanische Gesellschaft verwurzelt und werde vom historischen Erbe der Sklaverei immer wieder eingeholt. Kornblum verglich die Situation gar mit der Ende der 60er Jahre um Martin Luther King. Das Phänomen Trump sei das Ergebnis einer längeren Entwicklung in den USA und nicht die Ursache. Die Überwindung der Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft sei die politische Herausforderung Nummer eins. Dabei komme der Reform der Sozialsysteme eine entscheidende Bedeutung zu. Corona habe die Versäumnisse des Systems schonungslos aufgedeckt. Die sich anbahnende Wirtschaftskrise sei allerdings nicht mit der Finanzkrise aus 2008 zu vergleichen. Das Finanzsystem sei heute wesentlich stabiler, die FED habe Vorkehrungen für einen Stimulationskurs getroffen. Mit Blickrichtung auf die im November stattfindenden Wahlen befürchtet Kornblum einen „dreckigen Wahlkampf“, hofft dabei aber auf ein Resultat zugunsten des erfahrenen Außenpolitikers Joe Biden, der das richtige Profil habe. Dieser stamme aus der Industriearbeiterschaft, sei zwar „nicht der beste Kandidat, jedoch mehr als ausreichend“, um gegen den amtierenden Präsidenten anzutreten. Angesichts der veränderten Weltlage sei es wichtig, dass die Bündnispartner noch mehr Verantwortung übernehmen müssten, insbesondere auch im Umgang mit Russland und China. Deutschland als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich stärkstes europäisches Mitgliedsland müsse eine größere Verantwortung und Rolle einnehmen. Europa dürfe sich nicht zu sehr von der eigen Vergangenheit fesseln lassen, sondern solle sich vielmehr als fester Bestandteil der atlantischen Welt präsentieren und damit die strategische Einheit stärken. Das transatlantische Verhältnis bedürfe einen neuen Dynamik.