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Open Banking – geschlossene Systeme haben ausgedient

Warum Banken sich im Kampf um den Kunden öffnen müssen

  • Die letzten Stufe der EU-Zahlungsrichtlinie PSD2 sollte das Zeitalter des Open Banking einläuten, die Öffnung von Bankdienstleistungen gegenüber Drittanbietern. Gerade im Bereich der digitalen Services wie Payment-Lösungen gibt es Potenziale.

  • Bisher haben nur wenige Banken hier größere Schritte getan. Wer zögert, der allerdings dürfte abgehängt werden. Denn das herkömmliche geschlossene „System Bank“ hat ausgedient.

  • Innovative Banken nutzen die vorgeschriebenen API-Schnittstellen nicht nur, um sich die Dienste Dritter zunutze zu machen, sondern auch, um Partnern Daten zur Verfügung zu stellen - natürlich nur, wenn Kunden vorab zugestimmt haben.

"Open banking" ist gekommen um zu bleiben

Seit dem 14. September 2019 müssen Banken Drittanbietern Kontodaten von Kunden, die damit einverstanden sind, über eine Schnittstelle zur Verfügung stellen, sodass nun auch Nichtbanken Zahlungen auslösen und Kontoinformationsdienste anbieten können. Allerdings schätzt zeb, dass weniger als 20 Prozent der sogenannten API-Schnittstellen wirklich voll nutzbar sind. 
 
Mithilfe der letzten Stufe der Zahlungsrichtlinie PSD2 wollte die EU eigentlich das Zeitalter des Open Banking einläuten: Mit dem freien, aber sicheren Austausch von Kontodaten durch Drittanbieter soll Kunden einer herkömmlichen Bank eine breite Palette neuer Produkte und Dienstleistungen angeboten werden. Nur haben die meisten Banken zunächst bloß das Allernötigste umgesetzt, um rechtskonform zu bleiben. 

Aus Angst nutzten die meisten europäischen Banken PSD2, um interne Prozesse mit Blick auf Datensicherheit oder Betrugsprävention zu verbessern. Damit erfüllen sie die EU-Vorgaben, vernachlässigen aber den Geist der Brüsseler Vision: die Trennung der jahrhundertealten Bündelung von Bankinfrastruktur und Bankdienstleistungen, um durch mehr Wettbewerb eine Vielzahl ganz neuer Kundenangebote zu schaffen. 

„Europas Banken erleben gerade eine Revolution ohne Revolutionäre.“

Erwin Meichenitsch, Partner

Nur eine Handvoll europäischer Banken ist voll dabei

Bisher hat lediglich eine Minderheit von Banken größere Schritte in Richtung Open Banking getan. Die meisten Mitglieder dieser Gruppe verstehen die Öffnung allerdings als Einbahnstraße: Sie aggregieren Produkte und Dienstleistungen von Drittanbietern auf den bankeigenen Kundenschnittstellen – meist Onlinebanking-Portale – und wollen mit dem Verwalten persönlicher Finanzen, der Einbeziehung von Kreditkarten und Versicherungen oder Mobility-Apps die eigenen Kundenangebote bereichern. 

Nur eine Handvoll Banken auf dem europäischen Festland hat sich an PSD2 in vollen Zügen herangewagt. Diese Banken nutzen die vorgeschriebenen API-Schnittstellen nicht nur, um sich die Dienste Dritter zunutze zu machen. Sie haben auch damit begonnen, Partnern bestimmte Kontodaten zur Verfügung zu stellen ­– natürlich nur, wenn Kunden vorab zugestimmt haben. Diese Banken bieten also ihre Dienste auch über die Schnittstellen Dritter an. So können Privatkunden Zahlungen aus einem Wallet oder aus einem Check-out-Portal auslösen oder sogar automatisch finanzieren. Und Firmenkunden können in vielen Ländern bereits Zahlungen aus eigenen ERP-Computersystemen tätigen. 

Open minded – Open Banking 
 
Allein diese wenigen Banken zeigen derzeit den Mut, einen Grundsatz von Open Banking zu leben: Das herkömmliche geschlossene „System Bank“ hat ausgedient; Partner werden nicht nur immer wichtiger, sondern ihnen muss auf Augenhöhe begegnet werden, egal ob Apple, Google oder ein innovatives FinTech-Start-up. Es spricht vieles dafür, dass dieser Ansatz klüger ist als das abwartende Taktieren der anderen Banken. 

Banken sollten das Beispiel Telekommunikation vor Augen haben

Banking ist nicht die erste Branche, die die EU durch die Entflechtung von technischer Infrastruktur und Dienstleistungen aufbrechen will. Telekommunikationsunternehmen mussten bereits Ende der 90er-Jahre mit einer solchen Liberalisierung umgehen: Die Deutsche Telekom verlor innerhalb von fünf Jahren ein Fünftel Marktanteil dank rund 90 neuer Wettbewerber, die innovativere Produkte und/oder günstigere Konditionen als die Telekom anbieten konnten.
 
Auch Beispiele aus anderen Branchen dokumentieren, dass Abwarten oder Nichtstun bei Marktliberalisierungen sehr risikoreich sind. Unternehmen wollen oft erst einmal Geld und Mühe sparen, um dann profitieren zu können, wenn der große Trend endlich Form annimmt. Nur zeigt sich allzu oft, dass diese Unternehmen dann nicht die passende Form haben, um einfach auf den rollenden Zug aufzuspringen. 
 

PSD2 könnte Retailbanken 20 Prozent Umsatz kosten

Wir bei zeb schätzen, dass eine Retailbank in den ersten drei bis fünf Jahren der Liberalisierung 20 Prozent Umsatz an neue Anbieter verlieren könnte. Doch könnte sie parallel dazu die neuen Möglichkeiten von Open Banking nutzen, um einen Großteil der Verluste wieder gutzumachen. So könnte sie alle Bankdaten ihrer Kunden aggregieren oder über Händlerkooperationen Einkäufern Kredite anbieten.  
 
Doch erfordern solche Anpassungen Agilität und Übung. Banken, die mit Open Banking bereits experimentieren, haben viel bessere Chancen, vom nächsten Entwicklungsschub zu profitieren. Dieser wird kommen, wenn Kunden bereit sind, ihre Kontodaten zu teilen. Reüssieren werden vor allem Banken, die wissen: Die Zukunft des Zahlungsverkehrs liegt nicht allein in Payments, sondern auch im Kaufen, Planen und Investieren.