Stellen Sie sich folgende Teamsituation in einem Krankenhaus vor: Ein auf der Station nicht tätiger „Dr. Schmidt“ ruft an und verlangt von der diensthabenden Krankenschwester, dass sie einem Patienten ein Medikament in einer potenziell tödlichen Dosis verabreicht. Wie reagiert sie? Zahlreichen Studien zufolge sind mehr als 60 % bereit, die Dosis zu verabreichen, obwohl keine Anweisungen per Telefon und von unbekannten Personen entgegengenommen werden dürfen.
Warum verstoßen Mitarbeitende gegen solche klaren und sinnvollen Regeln?
Menschen haben eine Reihe von Möglichkeiten, etwas vor sich selbst zu rechtfertigen, das sie nicht für gut halten: gute Gründe finden (der Arzt weiß, was er tut), Vergleiche ziehen (die anderen machen es auch so), Bedeutung herunterspielen (so schlimm wird es schon nicht werden) und die Wichtigkeit des eigenen Handelns betonen (ich muss den Betrieb aufrechterhalten).
Wie können Teams dabei helfen, dass die Regeln eingehalten werden?
Eine erste Antwort darauf gibt Oberstleutnant Peer Streit vom Luftfahrtamt der Bundeswehr, den wir im Rahmen unseres Team-Mind-Projekts befragt haben. Er sagt: „Man soll Erfahrung nicht überschätzen, sondern immer kritisch hinterfragen. Egoismus und Überbewertung eigener Fertigkeiten sind eine Gefahr, ebenso mangelnde Offenheit und fehlende Empathie.“
Im Krankenhaus wirken z. B. Trainings zur Arzneimittelsicherheit und die Möglichkeit, direkt im Team nachzufragen: Im untersuchten Fall sank die Rate der Regelverstöße von über 60 % auf unter 30 %. Es gibt vier psychologische „Schutzschilde“ gegen einfache Regelverstöße bis hin zur Mitarbeiterkriminalität:
1. Nicht jede Person macht die Gelegenheit zum Dieb: Die Prüfung der persönlichen Integrität mit geeigneten Tests halbiert die Zahl kontraproduktiver Handlungen
2. Kritische Stimmen hören, Zeit zum Nachdenken geben: Teams trainieren, dass sie auch unter Zeit- und Entscheidungsdruck richtig entscheiden
3. Sicher führen: Ermutigende, ethische Führung, die psychologische Sicherheit gibt, um aus Fehlern zu lernen
4. Schwachstellen sichtbar machen: Transparenz und Dokumentation, um Verbesserungen umzusetzen und Wirksamkeit zu prüfen
Das ganze Interview mit Oberstleutnant Peer Streit und wie Fehlleistungen im Team entstehen schildern Prof. Dr. Joachim Hasebrook und Dr. Sibyll Rodde in ihrem Buch „Team-Mind und Teamleistung“ im Kapitel „Wir sind die Besten: Warum tolle Teams dumme Fehler machen“.