Die Menschen auf die Reise mitnehmen

Wolfgang Essing hat in über 30 Jahren eine Vielzahl an Restrukturierungen und Neuausrichtungen begleitet. Im Interview spricht der Senior Partner über die Herausforderungen, Chancen und Hürden, vor denen Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche aktuell stehen – mit Blick auf anstehende Veränderungen, auf Transformationen. Was sind die Erfolgsfaktoren, die Stolpersteine und was interessiert die CEOs?

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Noch nie war Transformationskompetenz so wichtig wie heute. Was sind die brennendsten Themen in dieser Hinsicht in der Finanzdienstleistungsbranche?

Das Thema Transformation spielt derzeit in der Finanzdienstleistungsbranche eine bedeutende Rolle. Diese wurde durch die Corona-Pandemie noch verstärkt. Ungeachtet der großen Bedeutung ist es jedoch wichtig, die notwendigen Transformationen mit Augenmaß anzugehen. Bei vielen Unternehmen erleben wir, dass große Veränderungen angestoßen werden, mit denen die Organisation im Anschluss aber überfordert ist. Partiell wird der eigentliche Zweck der Transformation, also einen kulturellen Change und eine Verbesserung der Leistungskultur zu bewirken, ins Gegenteil verkehrt. Beschäftigte werden verwirrt und verunsichert. Wir müssen die Transformationen entlang der Menschen denken und nicht ausschließlich entlang von Methodik und Prozessen.

Was beschäftigt CEOs und Entscheidungsträger, wenn es um Transformation und Veränderung geht? 

Am Ende eines jeden Projekts sollen sich das Miteinander, die Rahmenbedingungen sowie die Prozesse verbessert haben. Das bedeutet: Die Effizienz der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Menschen in der Organisation steigt deutlich und die Profitabilität verbessert sich. „Besser“ heißt dabei auch, dass die Mitarbeitenden mehr Freude an dem haben, was sie tun. Tradierte Modelle werden in Frage gestellt, weil sich Anforderungen verändert haben. Dieses Ziel zu verfolgen und dabei den Kern des Geschäftsmodells im Blick zu behalten, ist eine große Herausforderung.

Nachhaltiger Projekterfolg wird stark durch die Qualität der Transformation bestimmt – gerade auch bei Banken und Versicherern. Worauf kommt es da an? 

In Transformationsprozessen gilt es, mit gesundem Augenmaß abzuwägen: Was kann dieser Organisation an Veränderungsgeschwindigkeit zugemutet werden? Unter dieser Geschwindigkeit darf eine Organisation auch zeitweise ins Schwanken geraten. Es darf aber nicht so weit gehen, dass sie darunter in Teilen zerbricht. Ein essenzieller Faktor ist dabei die Qualität und das Setup des Change-Managements, also die Begleitung dieser Veränderung. Ausgangspunkt ist eine realistische Selbsteinschätzung der Organisation  und die Definition der Mitarbeitenden, die im Zielbild eine wichtige Rolle spielen. Sie müssen bestmöglich auf dieser Reise begleitet werden.

Am Ende geht es bei Transformation und Change immer sehr stark um die Menschen und nicht nur um Prozesse. Eine wichtige Frage ist dabei: Schaffe ich diese Veränderung als Organisation aus eigener Kraft oder helfen mir möglicherweise externe Partner? Und ganz zentral: Wie gelingt es, dass das Management-Board die Transformation zu 100 Prozent mitträgt? Dies impliziert das Commitment. Die gesamte Belegschaft muss sich verändern – auch, und vielleicht sogar vor allem, die Top-Führungskräfte.

Was sind auf dieser Reise die größten Hürden?

Die größte Hürde in derartigen Umstrukturierungen ist die Angst vieler Menschen vor Veränderung. Routinen, vielfach über Jahre entwickelt, geben ein Gefühl der Sicherheit. Wer ängstlich wird, versucht Veränderungen zu verhindern. Das verdeutlicht nochmal: es ist wichtig, die Menschen auf die Reise mit zu nehmen. Es gehört aber auch dazu, sich einzugestehen: Dieser Prozess ist alternativlos. Gleichzeitig erfolgt Transformation nicht von heute auf morgen. Die Organisation und speziell die Belegschaft muss die Chance bekommen, sich in diesen Prozess hinein zu entwickeln. Dafür ist es zwingend notwendig, in jedem Transformationsprozess den Bereich Qualifizierung, also Training und Coaching, stark mit einzubeziehen.

Wo geht die Reise im Sektor der Finanzdienstleistungen hin?

Die Profitabilität gerät in der gesamten Finanzdienstleistungsbranche weiter unter Druck. Das Zinsniveau wird sich nicht signifikant verändern. Die Zahl der Wettbewerber, die das Kerngeschäftsmodell der etablierten Finanzdienstleister torpedieren, wächst. Die Herausforderungen bleiben. In diesen Zeiten der Veränderung stecken aber auch viele Chancen, wenn man sich jetzt die richtigen Fragen stellt: Wie kann ich bereits erfolgreiche Bereiche noch profitabler machen? In welchen Bereichen meiner Organisation sind das Kundenerlebnis und die Kundenzufriedenheit bereits exzellent? An welchen Stellhebeln kann ich noch etwas verändern, um diese zu optimieren? 

Wie können etablierte Finanzdienstleister, Banken, Versicherungen junge Talente gewinnen? Sind da die aufstrebenden Unternehmen nicht klar im Vorteil beim Kampf um die besten Absolventen?

Die Antwort ist genauso simpel wie schwierig. Wenn ich Kundenexzellenz ins Zentrum meines Geschäftsmodells stelle, dann muss ich viel Etabliertes nicht nur in Frage stellen, sondern tatsächlich auch verändern. Das Unternehmen ist plötzlich in agilen Teams unterwegs. Es ist nicht mehr so hierarchisch, wird moderner und spannender für junge Menschen, die dann sagen: in dieser Arbeitskultur zu arbeiten, motiviert mich Dinge zu bewegen. Hier kann ich auch als junger Mensch innovative Ideen anbringen und diese verwirklichen, ohne ausgebremst zu werden. All das, was auf die Kundenexzellenz einzahlt, macht ein Unternehmen auch als Arbeitgeber attraktiver. 

 

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