Führung über Ziele: Weniger hilft oft mehr

Die zeb-Transformationsstudie 2022 zeigt: Nicht einmal zehn Prozent der befragten Sparkassen und Banken sind der Meinung, dass ihr Zielsystem und die damit verbundene variable Vergütung einen echten Motivationsanreiz auslöst. Das ist ein Grund nachzufragen, wie es um die Verzielung in den Regionalbanken steht. Die Expertin für Organisationsentwicklung und Vertrieb, Sarah Schroeder, sprach darüber mit ihren Kollegen Tobias Schnitzler und Martin Seidenberg. Beide sind Experten für das Thema Vertrieb und Vertriebssteuerung.

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Ihr beide blickt auf viele Jahre praktischer Arbeit in Banken und der Beratung zurück. Wie hat sich die Verzielung von Vertriebsmitarbeitenden über die Jahre geändert?

Seidenberg: Zum einen können wir feststellen, dass es immer mehr Ziele geworden sind. Der Bedarf nach Transparenz ist bei den Führungskräften gestiegen. Zum anderen sind weitere Ziele zum Vertrieb einzelner Produkte hinzugekommen, die als temporär gedacht waren, sich aber verstetigt haben. So sind nicht selten bis zu zehn Einzelziele auf den Zielkarten der Mitarbeitenden zu finden. 

Schnitzler: Die Zielkarte gilt als Glaubenssatz, als Allheilmittel, um Produktivität bei Mitarbeitenden sichtbar zu machen und zu steigern. Die Steuerung ist aber deutlich komplexer geworden. Gleichzeitig sind Gewichtungen dazugekommen, die häufig keine praktische Relevanz haben. Außerdem ist der Anspruch in Stückzahlen an die einzelnen Mitarbeitenden deutlich gestiegen. Wenn früher auf dem Zielfeld eine „100“ als Stückwert stand, steht da heute 300 oder 400. Parallel gibt es häufig weniger statt mehr Vertriebsmitarbeitende.

Seidenberg: Hinzu kommt: Neben der offiziellen Zielerfassung gibt es oft weiterhin eine Schattenverwaltung – zum Beispiel zu einzelnen Produktabschlüssen. Die Mitarbeiter haben kein ausreichendes Vertrauen in die Aufzeichnung der Erfassungssysteme. Führungskräfte fragen außerdem die Ergebnisse in anderen Intervallen ab aus Gründen der Transparenz, um zu sehen, wie der Stand der jeweiligen Vertriebsaktivitäten ist. Umso empfindlicher wird dann auf eine Zeitabweichung reagiert.

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„Gute Teamziele funktionieren in guten Teams. Dafür brauchen diese entsprechende Rahmenbedingungen, und das ist eine wichtige Aufgabe von Führungskräften.“

Tobias Schnitzler ist Senior Manager im zeb und Experte für Vertrieb und Vertriebssteuerung.

Es gab Phasen in den vergangenen Jahren, in denen die ganzheitliche Beratung gepusht wurde. Das ebbte aber auch wieder ab. Wie ist der Stand eurer Ansicht nach heute?

Schnitzler: Es ist genau das – ein Auf und Ab. Als Allheilmittel wird die ganzheitliche Beratung schon lange nicht mehr eingestuft. Das Ziel ist immer, zunächst Gespräche zu führen. Und diese sollten den Kunden in seiner Wirklichkeit, bei seinem tatsächlichen Bedarf abholen. Ob das jetzt eine ganzheitliche Beratung über zwei Stunden sein muss, lasse ich mal offen – aber es ist diese Grundphilosophie. Allerdings erlebe ich auch, dass derartige Konzepte dann auf Eis gelegt werden, wenn der wirtschaftliche Druck zunimmt. Dann wird auf Absatz umgesteuert.

Ist es eurer Meinung nach immer der Druck auf die Ziele oder gibt es andere Gründe, weshalb die ganzheitliche Beratung häufig nicht gut funktioniert?

Schnitzler: Das hat eine Historie: Die Beratungsbogen im Kundengespräch wurden und werden oftmals nur pflichtschuldig ausgefüllt – damals analog und heute digital. Die Qualität der Daten lässt leider oft zu wünschen übrig. Auf Kundenseite fehlt zum einen häufig der Bedarf und auf der anderen Seite das Gespür, wann eine ganzheitliche Beratung vorgenommen werden sollte und wann nicht.

Was funktioniert eurer Ansicht nach beim Thema Verzielung darüber hinaus und was nicht?

Seidenberg: Die Verzielung funktioniert dann, wenn die Kundenberater/-innen den konkreten Nutzen verstehen. Ein Beispiel: Wenn das Onlinebanking promotet werden soll und das auf der Zielkarte steht, dann muss auch erläutert werden, warum. Nachteilig ist es, wenn nicht nachvollzogen werden kann, wie ein Zielwert entsteht, wenn Ziele inkonsistent sind und wenn jeden Monat eine neue Priorität gesetzt wird. Dann muss öfter auf die Zielkarte geschaut werden als auf den Kunden.

Schnitzler: Und die Relevanz ist wichtig. Ein Beispiel sind Stückziele: Auf den ersten Blick sind sie relevant, aber für sich genommen oft nicht aussagekräftig. Statt einem Sparplan werden dann vier Sparpläne mit der gleichen Gesamtsumme abgeschlossen. Das erfüllt Ziele, bringt aber keinen Wert. 

Seidenberg: Ziele funktionieren nicht, wenn sie als Druck und nicht als Ansporn empfunden werden. Sie müssen generell in ein Gesamtkonstrukt passen, welches dann entsprechend kommuniziert wird. 

Ist eine Tendenz weg von Teamzielen hin zu Einzelzielen feststellbar?

Seidenberg:
Wenn etwa der Kundenbedarf im Vordergrund steht – ein Beispiel hierfür ist die Baufinanzierung –, kann man gut mit Teamzielen arbeiten. Einzelziele eignen sich dann, wenn es konkret die Leistung der einzelnen Beraterin oder des Beraters betrifft, wie etwa in einem Basisgespräch. Ich plädiere dafür, die Ziele differenziert zu betrachten. 

Schnitzler: Gute Teamziele funktionieren in guten Teams. Dafür brauchen diese entsprechende Rahmenbedingungen, und das ist eine wichtige Aufgabe von Führungskräften. Dafür müssen sie nah dran sein an den Teams, sonst wird es schwierig. Bei Teamzielen kommt es immer wieder vor, dass diese nicht individuell beeinflussbar sind und die Mitarbeitenden die Frage nach ihrem Beitrag stellen. Wenn das die Führungskraft nicht vermitteln kann, dann halte ich Teamziele für falsch. Wenn aber das Team entscheidet, wer sich welchen Teil des Ziels vornimmt, kann das gut funktionieren. In der Praxis heißt das also: Kollegin A ist besonders gut in X, Kollege B macht Y etc. Für alle ist wichtig zu wissen, wohin die Reise geht, um ihr Bestes geben zu können. Dann klappt es auch mit den Teamzielen.

Seidenberg: Meine Hoffnung ist, dass über die richtigen Ziele die Kunden mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Was brauchen sie, was passt zu ihnen? Das differenziert die Regionalbank von einem Strukturvertrieb. Es muss das Gefühl entstehen, hier gut und fair beraten zu werden. Und dafür braucht es meines Erachtens weniger Ziele, einfachere Ziele und Transparenz, wie sich diese zusammensetzen.
 

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Es muss das Gefühl entstehen, hier gut und fair beraten zu werden. Und dafür braucht es meines Erachtens weniger Ziele, einfachere Ziele und Transparenz, wie sich diese zusammensetzen.

Martin Seidenberg ist Senior Manager im zeb und Experte für Vertrieb und Vertriebssteuerung.